Landtagswahl: Kopf-an-Kopf-Rennen in Hannover

Während Berlin auf den Ausgang der Wahl am 15. Oktober wartet, spielt in Hannover der Berliner Politik-Betrieb keine große Rolle.

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Hannover. Es sind vier Dinge, die Stephan Weil (58) mit Hannelore Kraft gemeinsam hat: Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Niedersachsen hegt gegen den Berliner Politikbetrieb mindestens so eine tiefe, innige Abneigung wie die Ex-Ministerpräsidentin von NRW es tat. In den Umfragen liegt Weil zweitens so deutlich vor seinem CDU-Herausforderer, dass eigentlich nichts schief gehen kann in einem Wahlkampf, der sich drittens eigentlich nur um Landesthemen dreht.

Und viertens kämpft Stephan Weil leidenschaftlich für die Fortsetzung von Rot-Grün, will aber auch gegen Rot-Rot-Grün keine „Ausschließeritis“ betreiben — in NRW reichten diese Zutaten im Mai, um Schwarz-Gelb siegen zu lassen. Doch da enden die Gemeinsamkeiten auch schon.

Als die Grüne Elke Twesten im August zur CDU übertrat und Weil damit die Ein-Stimmen-Mehrheit seiner Regierung verlor, setzte der Ministerpräsident lieber auf sofortige Neuwahlen, als sich davon abhängig zu machen, dass CDU und FDP im Landtag von Hannover jederzeit den Wechsel hätten erzwingen können. Regulär hätte die Landtagswahl im Januar stattgefunden.

Von seinem Herausforderer Bernd Althusmann (50) und der CDU hält der Amtsinhaber nicht viel: „Die FDP ist die unangenehmere Opposition. Sie ist intelligenter“, so Weil im Gespräch mit Journalisten. Die CDU gehe dagegen „voll auf den Mann, auch wenn der Mann gar nicht am Ball ist.“ Damit meint Weil die ungeschickte Kampagne, die Althusmann wegen eines zwei Jahre alten Redemanuskripts zur Dieselaffäre losgetreten hatte, das Weil — zugleich Ministerpräsident und Aufsichtsratsmitglied bei VW — mit Volkswagen abgestimmt hatte.

Althusmann weist das weit von sich. Dass eine Zeitung die Nummer mit der Diesel-Rede ausgegraben habe, sei ganz außerhalb seines Einflusses geschehen. Und auch der Wechsel der Ex-Grünen Twesten sei keine Intrige gewesen. „Ich habe ein einziges Gespräch mit ihr geführt. Darin ging es ausschließlich um ihre inhaltliche Nähe zur CDU“, so Althusmann, und gepasst habe der CDU das alles eigentlich nicht. Denn schließlich sei ja die ganze Planung auf eine Wahl im Januar ausgerichtet gewesen. Auch habe man der Überläuferin nichts versprochen; inzwischen studiere sie in Buxtehude.

Er habe den Vorteil, über den Tellerrand Hannovers hinausgeblickt zu haben, sagt Althusmann über sich: „Ich glaube, dass ich als Person durchaus eine Alternative zu Herrn Weil bin.“ Weil war von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister der niedersächsischen Landeshauptstadt, bevor er spektakulär David McAllister (CDU) als Ministerpräsident ablöste. Althusmann war unter McAllister Kultusminister, überstand eine Affäre um eine Doktor-Arbeit mit „handwerklichen Fehlern“ und verlor 2013 neben dem Ministeramt auch sein Landtagsmandat.

Auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung ging er als Leiter der Auslandsvertretung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung nach Namibia. Dass führte dazu, dass er 2014 nach dem Tod eines CDU-Abgeordneten nicht in den Landtag nachrücken konnte, da er durch den Auslandswohnsitz die Wählbarkeit verloren hatte. 2016 kehrte Althusmann nach Deutschland zurück und übernahm den CDU-Landesvorsitz und die Spitzenkandidatur in Hannover.

Althusmann setzt im Wahlkampf auf die Nähe zur Kanzlerin und will die CDU keinesfalls weiter nach rechts rücken. In der Flüchtlingsfrage sieht er die niedersächsische CDU dem Erbe Ernst Albrechts (1930-2014) verpflichtet, der 1979 die aus Vietnam geflüchteten „Boat-People“ nach Deutschland holte, sagt aber auch: „Die zahlreichen neuen Gesetze haben das Gefühl der Sicherheitslücke nicht geschlossen. Wir haben Obdachlose in Hannover, aber für Flüchtlinge stellen wir Container auf.“

Der CDU-Kandidat findet bei den regionalen Medien viel Gehör. Das hilft nicht immer: Mal will er mit den Grünen nicht koalieren, dann lediglich nicht mit dem Grünen Umweltminister, dann findet er es bloß schwierig. Im Wahlkampf setzt er eine Standard-Rede ein: „Das minimiert das Risiko, dass man sich widerspricht“, räumt er ein. Das ist in der Tat ein gänzlich anderer Wahlkampf, als der Amtsinhaber ihn führt.

Stephan Weil tritt siegeswillig, aber nicht als siegesgewisser Landesvater auf. In dem kurzen Wahlkampf, der in Niedersachsen zudem noch in die Herbstferien fällt, setzt Weil kaum auf klassische Groß-Kundgebungen, stattdessen auf sehr viele kleine „Townhall“-Formate: Selten mehr als 400 Bürger, die Rede des Ministerpräsidenten dauert nur ein paar Minuten. Die Bürger schreiben ihre Fragen auf Bierdeckel, und den Rest des Abends beantwortet der Ministerpräsident die Bierdeckel-Fragen. Bislang mit Erfolg.