Analyse: Weißer Rauch nach Fiskalpakt-Runde

Berlin (dpa) - Angela Merkel kämpft zur Zeit an vielen Fronten. Vor der Sommerpause muss Schwarz-Gelb liefern. In vielen Streitfragen. Jetzt kann die Kanzlerin zumindest beim Fiskalpakt auf eine Lösung hoffen.

Es ist ein Pakt, bei dem es auch noch um etwas anderes geht als die Einigkeit der Euro-Staaten und die Stabilität ihrer Währung. Bei der Verabschiedung des europäischen Fiskalpakts in Deutschland geht es auch um die Handlungsfähigkeit der Kanzlerin, die Verantwortung der Opposition und nicht zuletzt um den Zusammenhalt des deutschen Parlaments in so wichtigen internationalen Fragen. Alle Beteiligten können gewinnen - aber eben auch verlieren.

Das war den Spitzen von Koalition und Opposition mehr als bewusst, als sie sich am Mittwochvormittag zum Spitzengespräch bei Angela Merkel trafen. In den folgenden zwei Stunden suchten sie einen Weg, wie sich im Streit um den Fiskalpakt am Ende alle ein bisschen als Sieger fühlen dürfen. Mit Erfolg, wie es aussieht. Denn wenn der Rauch, der danach aus dem Kanzleramt aufstieg, richtig gedeutet wird, hat es zwar noch keinen Durchbruch, aber doch eine Annäherung gegeben.

Jedenfalls sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel schon einmal zur großen Linie eines Fiskalpaktes samt Absprachen zu Wachstum und Finanztransaktionssteuer: „An uns wird es nicht scheitern.“ Zwar seien die Vorschläge für mehr Wachstum noch nicht konkret genug, trotzdem gebe es gute Chancen dafür. Deutlich kritischer sind die Grünen, die mit ihrer Forderung nach einem Altschuldentilgungsfonds auf Granit beißen. Trotzdem will Fraktionschef Jürgen Trittin die Tür nicht zuschlagen: Wenn jemand einen besseren Vorschlag habe, wie man den Schuldenländern helfen könne - bitteschön.

Für eine endgültige Lösung haben Union und FDP, SPD und Grüne noch bis Ende Juni Zeit. Dann soll der zum 1. Juli in Kraft tretende EU-Rettungsschirm ESM gebilligt werden - nach Merkels Willen zusammen mit dem europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin. Um den Zeitplan einhalten zu können, soll es jetzt Schlag auf Schlag gehen. Schon an diesem Donnerstag will Merkel mit den Fraktionen den Zeitplan für die Verabschiedung im Bundestag festlegen, dann soll in kleinen Gruppen weiterverhandelt werden, bevor sich am 21. Juni eine neue Spitzenrunde zur möglichst endgültigen Einigung trifft.

Doch Merkel kämpft noch an ganz anderen Fronten. Denn im Schatten der düsteren Finanzlage in Europa und ihren Rettungsbemühungen um den Euro, dem Zoff zwischen Union und FDP um die Vorratsdatenspeicherung und neuerdings auch um die Gentechnik, hat sich das geplante Betreuungsgeld zum Sprengsatz für die Koalition entwickelt. Zumindest, wenn man der CSU glaubt, die es intern zum „Casus Belli“ - zum Kriegsfall - erklärt hat, wenn die von Kritikern als „Herdprämie“ bezeichnete Leistung nicht eingeführt würde.

Der Widerstand kommt ausgerechnet aus der Partei der Kanzlerin, und noch ist es zweifelhaft, ob sie vor allem die Kritikerinnen umstimmen kann. Merkels Crux: Außer CSU-Chef Horst Seehofer wollte dieses Betreuungsgeld eigentlich kaum ein Promi der Koalition, und nun müssen sie trotzdem alle dafür kämpfen, damit die Koalition nicht auseinanderkracht. Da ist die Eurokrise fast die geringere Gefahr.

Wie schön, dass die SPD in dieser Situation den Blick zurück auf die anderen Streitpunkte lenkt. Nach dem Treffen im Kanzleramt reiste die SPD-Troika aus Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück zum neuen französischen Präsidenten François Hollande nach Paris. Frankreich führt zum 1. August eine Finanztransaktionssteuer ein. Die SPD würde gern schon einmal die deutsch-französische Achse bestimmen und dann nach der Bundestagswahl 2013 natürlich das Kanzleramt übernehmen.

Nach einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa für das Magazin „Stern“ finden 71 Prozent der Bürger die schwarz-gelbe Koalition keine gute Idee mehr für Deutschland. Da mag Merkel noch so sehr dieses Modell beschwören. Ihre persönlichen Werte sind aber nach wie vor gut. Die Zweidrittelmehrheit für den EU-Fiskalpakt wäre wieder ein Gewinn für sie - als Kanzlerin, die auch das Parlament weitgehend vereinen kann. Auch über diese Hürde muss die SPD springen und darauf setzen, dass bei den Bürgern hängen bleibt, dass Deutschland ohne die Sozialdemokraten mit dem Fiskalpakt auf EU-Ebene dramatisch gescheitert wäre.