Analysten fürchten Italien-Hängepartie
Rom/Berlin (dpa) - Italien wählt und Europa zittert: Wie reagieren die Märkte nach der Wahl in dem Euro-Krisenland? Neben der Furcht vor einer Rückkehr Silvio Berlusconis könnte auch Beppo Grillos populistische Bewegung „5 Sterne“ für eine Hängepartie sorgen.
„Wir sehen uns im Parlament. Das wird ein Vergnügen“, so begrüßt Beppe Grillo die Besucher seines Twitter-Accounts. Die Freude dürfte aber nicht bei allen in Italien groß sein. Denn der Komiker hat das Land mit seiner populistischen Bewegung „5 Sterne“ („MoVimento 5 Stelle“) vor den anstehenden Parlamentswahlen mächtig aufgemischt und lässt nicht nur bei den etablierten politischen Kräften die Sorgenfalten wachsen. Viele Beobachter in Europa fürchten nicht allein einen möglichen Erfolg von Ex-Premier Silvio Berlusconi und den wohl programmierten Schock an den Märkten im Anschluss.
Sollte Grillo tatsächlich nach den Wahlen am Sonntag und Montag entsprechend stark ins Parlament einziehen, droht eine Hängepartie, so Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Es ist ein reales Risiko, dass mit einem Erfolg Grillos klare Mehrheiten schwierig werden und lange Unsicherheit herrschen könnte.“ Zwar wäre ein Erfolg Berlusconis aus seiner Sicht das Horrorszenario mit Blick auf die Reaktion der Märkte. „Doch soweit wird es nicht kommen. Eine Hängepartie ist aber natürlich auch schlecht für Italien.“
Auch Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, sagt mit Blick auf einen möglichen Aus-dem-Stand-Erfolg der „5 Sterne“-Bewegung: „Grillo bietet kein Programm. Eine Stimme für ihn ist ein reiner Protest gegen die ganze politische Klasse und ihre Skandale.“ Das schaffe zunächste einmal Unsicherheit: „So verständlich so ein Protest sein mag, eine handlungsfähige Regierung ließe sich darauf nicht aufbauen.“ Sollte ein Schwenk der Wähler zu Grillo das Mitte-Links-Bündnis unter Pier Luigi Bersani so schwächen, dass im Abgeordnetenhaus dann Berlusconi statt Bersani die Nase vorn hätte, kämen aus seiner Sicht „einige sehr unruhige Wochen auf Italien und Europa zu. Danach sieht es nicht aus. Aber unmöglich ist es keineswegs.“
Auch die Analysten Alex White und Gianluca Salford von der Großbank JPMorgan kommen in einer Studie zu dem Schluss, dass ein Erfolg Grillos eine Hypothek für die längerfristige politische Stabilität in der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft darstellen würde.
Eines ist aber klar: Grillo kommt bei vielen Italienern an - zumal bei denen, die von der Politik und ihren Volten die Nase voll haben. Er wettert gegen das etablierte politische System, gegen den Euro und macht sich für eine direkte Internet-Demokratie stark. Am ehesten kann man seine Bewegung noch mit der deutschen Piratenpartei vergleichen. Sein Bündnis kann mit 15 bis 20 Prozent der Stimmen rechnen und damit sogar die Partei von Ministerpräsident Mario Monti überflügeln.
Im Unterschied zu den Piraten hierzulande ist die Bewegung Grillos jedoch voll auf ihren Gründer zugeschnitten, wie der Bonner Politikwissenschaftler Florian Hartleb erläutert. „Grillo wurde lange von den etablierten Politikern unterschätzt, weil er eben als Nicht-Politiker angetreten ist.“ Hartleb erinnert in diesem Zusammhang an das Auftauchen des damaligen Unternehmers Silvio Berlusconi auf der politischen Bühne Italiens im Jahr 1994.
Mit Blick auf das Abschneiden Grillos sagt der Forscher: „Grillos Bewegung wird den Weg in die Regierungsverantwortung scheuen. Sie kann viel besser aus der Opposition heraus agieren.“ Die Regierungsbildung in dem rezessionsgeplagten und unter Rekord-Arbeitslosigkeit ächzenden Euro-Krisenland könnte sich aus seiner Sicht bei einem guten Wahlergebnis der 5 Sterne aber deutlich erschweren.