Berlusconi verliert Mehrheit im Parlament

Rom (dpa) - Dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi droht das politische Aus, der 75-Jährige hat im Parlament keine Mehrheit mehr.

Ein Votum über seinen Rechenschaftsbericht 2010 kam am Dienstag in Rom zwar durch, doch stimmten nur 308 der 630 Abgeordneten dafür. Die absolute Mehrheit wären 316 Stimmen gewesen. Berlusconi berief unmittelbar nach der Abstimmung eine Krisensitzung mit den Spitzen der Regierung ein. Zu den Teilnehmern gehörten Wirtschaftsminister Giulio Tremonti, Innenminister Roberto Maroni und der Chef der Koalitionspartei Lega Nord, Umberto Bossi.

Am Abend ist Berlusconi mit Staatspräsident Giorgio Napolitano zusammengekommen, will dabei aber nicht seinen Rücktritt einreichen, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Demnach ging es darum, den Staatschef über die Entwicklung zu unterrichten.

„Es gibt klarere Wege zu überprüfen, ob eine Mehrheit vorhanden ist, nämlich das Vertrauensvotum“, meinte Sozialminister Maurizio Sacconi auf die Frage, ob Berlusconi zurücktreten müsse. Berlusconi hatte erwogen, die der EU jüngst gemachten Zusagen über Sparmaßnahmen und Liberalisierungen demnächst mit der Vertrauensfrage zu verbinden.

Lega-Chef Bossi hatte Berlusconi vor dem Votum aufgefordert, sein Amt aufzugeben. Stattdessen solle der Chef der Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit), Angelino Alfano, den Posten übernehmen. Die Lega hatte zuvor jede Änderung in der Regierung ohne Neuwahlen abgelehnt.

Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand der Eurozone gemessen an der Wirtschaftsleistung auf. Angesichts seiner schwindenden Regierungsmehrheit gelang es Berlusconi trotz der Verabschiedung von zwei Sparpakten und allen Versprechungen gegenüber Brüssel bislang nicht, die Finanzmärkte zu beruhigen.

Auf die jüngste Entwicklung reagierte der italienische Anleihemarkt am Dienstag so: Die Risikoaufschläge für zehnjährige Staatsanleihen schnellten am späten Nachmittag auf den neuen Rekordwert von 6,7 Prozent hoch.

An der Abstimmung über den Rechenschaftsbericht, die als Formsache gilt, nahmen 321 Abgeordnete nicht teil, waren aber im Parlament anwesend. Ein Parlamentarier enthielt sich der Stimme. „Das Votum zeigt, dass die Regierung in der Kammer keine Mehrheit hat“, sagte Oppositionsführer Pierluigi Bersani von der PD (Demokratische Partei). Sollte der Premier weiterhin einen Rücktritt ablehnen, würde die Opposition aktiv werden, sagte Bersani. Er hatte schon vorab mit einem Misstrauensantrag gegen die Regierung gedroht.

In den dreieinhalb Jahren seines vierten Kabinetts hat Berlusconi allerdings bereits mehr als 50 Mal erfolgreich eine Vertrauensfrage im Parlament überstanden. Im Oktober hatte Berlusconi nach dem ersten Scheitern des Rechenschaftsberichtes die Vertrauensfrage gestellt und dabei noch genau die erforderlichen 316 Ja-Stimmen bekommen. Er hatte im Frühjhr 2008 mit 344 Abgeordneten begonnen.