Der Strompreis kann, muss aber nicht steigen

Berlin (dpa) - Es ist bemerkenswert, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Bürger jetzt schon auf steigende Strompreise vorbereitet.

„Tendenziell bedeutet jede Verknappung natürlich auch, dass das auf den Preis einen Einfluss haben kann“, sagt sie. Aber es ist noch gar nicht ausgemacht, dass es in den drei Monaten, in denen nur noch neun statt 17 möglichen Atomkraftwerken Strom produzieren, dazu kommen muss.

Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Hildegard Müller, betont mit Blick auf Preissprünge an der Leipziger Strombörse EEX: „Kurzfristige Erhöhungen des Börsenpreises müssen sich nicht zwangsläufig sofort in steigenden Stromrechnungen für die Haushalte niederschlagen, weil sie im Rahmen der langfristigen Beschaffung ausgeglichen werden können.“ Vor allem eine höhere Produktion von Gaskraftwerken hätte Auswirkungen auf den Strompreis an der Börse EEX. Denn der richtet sich stets nach den teuersten Kraftwerken, die gerade Strom liefern.

Der Verbraucherschützer Holger Krawinkel verweist darauf, dass der Börsenpreis lediglich einen Anteil von 25 Prozent am Endpreis hat, 50 Prozent sind Steuern, Abgaben und die Ökostromumlage, hinzu kommen Netzkosten. Er fordert aber, dass notfalls die staatlichen Behörden einschreiten müssten, wenn die AKW-Abschaltung zu übermäßigen Erhöhungen instrumentalisiert würde. Das sei Aufgabe der Regierung - und nicht, höhere Strompreise herbeizureden, kritisiert die Opposition.

Christof Timpe vom Öko-Institut rechnet mit höchstens einem halben Cent mehr pro Kilowattstunde. Bei einem Verbrauch in einem Haushalt von 1500 Kilowattstunden binnen drei Monaten wären dies 7,50 Euro. Das Verbraucherportal Verivox hat aber bisher keine Informationen über Preiserhöhungen für die Verbraucher durch das Atom-Moratorium.

Viele Bürger rennen derzeit den Grünstromanbietern die Läden ein und wollen ihren persönlichen Atomausstieg. Bei Lichtblick, das mehr als eine halbe Million Ökostromkunden hat und auch den Bundestag beliefert, sagt Sprecher Ralf Kampwirth, dass sich die Zahl der Vertragsabschlüsse seit Fukushima verdreifacht habe. Allein am Mittwoch waren es 800 Neukunden. Verivox betont, dass schon 670 Anbieter Ökotarife im Portfolio haben.

Krawinkel sagt, grundsätzlich müsse es endlich darum gehen, beim Energiesparen voran zu kommen, das sei das beste Mittel gegen zu hohe Ausgaben für den Strom. Die Grünen betonen unter Verweis auf den Energieeffizienzplan des Umweltministeriums, das Stromsparpotential liege jährlich bei etwa 110 Terawattstunden (TWh). Dies entspreche in der jährlichen Stromerzeugung aller bisher am Netz befindlichen AKW.

Der Bruttostromverbrauch betrug 2010 etwa 603 TWh. Seit 2006 wird zudem massiv Strom exportiert - 2010 waren es etwa 17 TWh. Der Unions-Obmann im Umweltausschuss, Josef Göppel (CSU) betont, dies sei die Hälfte der Stromproduktion der acht nun abgeschalteten AKW.

Während beim Strompreis noch etwas spekuliert werden muss, ist eines zumindest klar: Es droht keine Versorgungslücke, auch das Wirtschaftsministerium sagt, dass nun nicht massiv Atomstrom aus Frankreich importiert werden muss. Allerdings will man im Haus von Rainer Brüderle (FDP) am Freitag mit den Netzbetreibern erörtern, welche Auswirkungen die AKW-Abschaltung auf die Stromnetze hat.

„Nach unserer Einschätzung kann der Wegfall der Erzeugung aus den betreffenden Kernkraftwerken zumindest kurz- und mittelfristig durch eine höhere Auslastung der deutschen Kohle- und Erdgaskraftwerke ausgeglichen werden“, sagt BDEW-Chefin Müller. Allerdings könnte so ein zusätzlicher CO2-Ausstoß von acht Millionen Tonnen drohen. Verschmutzungsrechte, die von der Industrie dafür zugekauft werden müssen, können den Preis etwas treiben - eine langfristige Ersetzung von Atom- durch Kohlekraftwerke würde sich daher auch deutlich beim Strompreis niederschlagen.