Report: Das Leid an Japans Nordostküste

Tokio (dpa) - In Schulen und Turnhallen sitzen sie beisammen, obdachlos, erschöpft, ohne Strom, Wasser und Nahrung. Was viele Menschen an der Nordostküste Japans durchmachen, lässt sich schwer in Worte fassen.

Sie stehen stundenlang für etwas Wasser und Benzin an, suchen nach vermissten Angehörigen, versuchen verzweifelt, sich in der Kälte warmzuhalten. In einigen Gegenden hat es nun auch noch zu schneien begonnen. Und über alledem schwebt die Gefahr der radioaktiven Verseuchung.

Die ist gerade jedoch nicht das drängendste Problem für die Menschen an den Küsten der Provinzen Miyagi und Iwate. „Die Leute haben schlichtweg keine Zeit und keinen Nerv, jetzt permanent die Nachrichten zu verfolgen. Sie sind ständig damit beschäftigt, sich warmzuhalten, genügend zu essen zu haben, sicher zu sein und Lebensmittel zu bekommen“, erzählt dpa-Korrespondent Lars Nicolaysen am Telefon. „Das tägliche Überleben steht im Vordergrund.“

Damit sind die Menschen oft praktisch auf sich allein gestellt. Tausende japanische Soldaten arbeiten zwar daran, die Straßen von Schutt und Trümmern zu säubern. „Sie sind so effizient, sie können eine Menge wegschaffen“, sagt der 27 Jahre alte Fotograf Piotr Onak, der in der Krisenregion unterwegs war. Allerdings ist es schwierig, Nahrungsmittel und Wasser heranzufahren, wenn es kein Benzin gibt. Und in vielen Orten sind die Regale der Läden leer.

Mindestens 1,6 Millionen Haushalte sind nach der Katastrophe in Japan noch immer ohne fließendes Wasser, berichtet der Sender NHK am Mittwoch unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. Mindestens 440 000 Menschen lebten in rund 2400 Notunterkünften. Sie können nicht einmal Kontakt zu ihren Familien und Freunden im Süden aufnehmen. Denn auch die Kommunikationsnetze liegen vielerorts seit dem Beben lahm.

Zudem haben viele internationale Helfer das Land aus Angst vor radioaktiver Strahlung schon wieder verlassen. Ein Bergungsteam des Technischen Hilfswerks hat seinen Einsatz zum Beispiel nach kürzester Zeit abgebrochen. Und auch der Tübinger Katastrophenmediziner Bernd Domres ist unverrichteter Dinge wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Der Gefahr einer atomaren Verstrahlung habe er sein Team auf keinen Fall aussetzen wollen, sagt der 72-Jährige.

Ihre verzweifelte Lage ertragen die Menschen mit bewundernswerter Disziplin. Geduldig stehen sie an, wenn ein Tankwagen Trinkwasser bringt. Oder wenn sie an Tankstellen noch etwas Benzin und Heizöl bekommen können. „Sie beschweren sich nicht, sie weinen nicht, sie nehmen alles mit Würde“, sagt der Fotograf Onak.