DFB-Team reist nach Porto Alegre
Santo André (dpa) - Nach drei Hitze-Spielen geht es in den kühleren Süden Brasiliens. Vor allem auf die Entscheidungen von Joachim Löw kommt es im ersten K.o.-Spiel bei der WM gegen Algerien an. Er muss die brisante Frage auflösen: Schweinsteiger oder Khedira?
Podolski fehlt verletzt.
Vor dem Start in die K.o.-Spiele sah sich Joachim Löw zu einer eindringlichen Warnung an seine Spieler veranlasst. Der Bundestrainer spürt, ein Ausscheiden gegen den krassen Außenseiter Algerien wäre für die Fußball-Nation Deutschland ein unverzeihlicher Schock. „Wenn jemand glaubt, man hat es im Achtelfinale mit einem vermeintlich leichten Gegner zu tun und kann den Fokus schon ein bisschen auf die nächste Runde richten, begeht er einen schweren Fehler“, mahnte ein fokussiert wirkender Löw kurz vor der Reise am Samstagabend zum Spielort Porto Alegre.
Lukas Podolski steht wegen einer Muskelzerrung für das erste Alles-oder-nichts-Spiel am Montag (22.00 Uhr/ZDF) im Estadio Beira-Rio nicht zur Verfügung. Zur entscheidenden Figur aber wird ohnehin in Brasilien immer mehr der Bundestrainer. „Unsere Mannschaft brennt auf das Achtelfinale, wo es kein Hintertürchen mehr gibt, wo du gewinnen musst“, beschrieb Löw das Playoff-Feeling. „Konzentration und Anspannung ist das Gebot der Stunde, jede Nachlässigkeit wird bestraft“, mahnte Löw. Er sieht sein Team aber bereit: „Wir gehen in diese Spiele mit großem Selbstbewusstsein.“
„Einige Mitfavoriten sind schon ausgeschieden, deswegen ist es absolut positiv“, skizzierte Kapitän Philipp Lahm die günstige Ausgangslage. Im Viertelfinale würde das DFB-Team als Achtelfinalsieger auf Frankreich oder Nigeria treffen. „Wir haben eine gute Spielanlage, sind dominant. Wir haben eine große Ballsicherheit“, benannte Toni Kroos die Vorzüge der Mannschaft.
Aus dem Potenzial und den Erkenntnissen der drei Gruppenspiele gegen Portugal (4:0), Ghana (2:2) und die USA (1:0) muss Löw das richtige K.o.-Puzzle zusammensetzen, um nicht nur die kleinere Hürde Algerien zu überspringen, sondern im Anschluss auch gegen die Top-Gegner zu bestehen. „Jetzt ist es entscheidend, dass man alles umsetzt. Kleinigkeiten entscheiden darüber, ob du rausfliegst“, betonte Miroslav Klose, mit vier WM-Teilnahmen, 15 WM-Toren und 134 Länderspielen der erfahrenste Akteur im 23-köpfigen Aufgebot.
Löw hat nach dem Gruppensieg eine Grundzufriedenheit. „Aber wir gehen auch kritisch mit uns ins Gericht. Wir wissen, wir können besser spielen, sind noch nicht am Limit. Das ist auch gut so“, erklärte der Freiburger in Santo André, von wo aus mit Bus, Fähre und Flugzeug die rund 2000 Kilometer lange Reise nach Porto Alegre in den kühleren Süden des Landes anstand. „Wir brauchen keine grundsätzliche Veränderung unseres Systems und unserer Spielidee. Was wir brauchen, sind Verbesserungen im Detail“, formulierte Löw.
Man habe ein großes Reservoir an taktischen und personellen Varianten, betonten Trainer und Spieler immer wieder. Löw muss schon gegen die Algerier die richtigen auswählen. Vor allem die Nominierung der zentralen Mittelfeldspieler und des Offensiv-Personals dürfte den Ausgang der Brasilien-Mission wesentlich beeinflussen.
Ob er auf den bei seinem Startelf-Comeback gegen die US-Boys überzeugenden Bastian Schweinsteiger oder wieder auf den gegen das Klinsmann-Team geschonten Sami Khedira in der Mittelfeldzentrale setzt, ließ Löw offen. „Beide haben sich nach Verletzungen herangekämpft, beide sind extrem wichtig für die Mannschaft, beide sind extrem wichtig für mich“, bemerkte der Bundestrainer.
Eine Startelf-Garantie für Routinier Schweinsteiger, der gegen die USA unübersehbar mehr Organisation ins deutsche Spiel brachte, gab Löw nicht. Dafür bemerkte er, die Pause habe Khedira gut getan. „Bastian hat jetzt gut gespielt. Man muss sehen, wie das für die nächsten Spiele aussieht.“ Gut möglich, dass sich das Job-Sharing zwischen dem Real-Madrid-Profi Khedira und dem Münchner Schweinsteiger fortsetzt. „Die Aufteilung passt ganz gut“, meinte Löw.
Das 4-3-3-Spielsystem mit Kapitän Lahm als Libero im Mittelfeld und vier Innenverteidigern in der Abwehrkette wird Löw in Brasilien kaum noch umschmeißen. „Es geht auch in den K.o.-Spielen in erster Linie darum, gut zu stehen. Das ist immer das A und O, nicht in Rückstand zu geraten“, sagte der Münchner Kroos.
Aus der kontrollierten Dominanz, die Löw anstrebt, ergab sich bisher jedoch auch eines der Hauptprobleme. „Es ist nicht so einfach, wenn man zu dritt da vorne ist“, erkannte Torwart Manuel Neuer. „Spiel im letzten Drittel, letzter Pass, letzte Konsequenz im Torabschluss, Besetzung im Strafraum - das sind Dinge, die wir besser machen müssen“, erklärte Löw. „Wir können noch besser sein“, sagte auch Teammanager Oliver Bierhoff.
„Wir haben in der ersten Halbzeit gegen die USA Szenen gut herausgespielt, aber in der Mitte war halt keiner da“, benannte Mesut Özil noch eine Schwachstelle. Der 36 Jahre alte Klose meldete sich bereit als Strafraumstürmer auch von Beginn an: „Ich habe eine Halbzeit durchgehalten. Auch 90 Minuten wären kein Problem.“
Löw sieht in den Algeriern, die gegen Belgien (1:2), Südkorea (4:2) und Russland (1:1) das Achtelfinale erreichten, „eine sehr kompakte, extrem laufstarke, extrem aggressive Mannschaft“. Neuer kennt schon ein Rezept gegen die Afrikaner: „Wenn wir gut und schnell spielen, können wir ihre defensiven Schwächen aufzeigen. Wenn wir schnell in Ballbesitz kommen, können wir eiskalt zuschlagen.“
Vor allem einer demonstriert das in Brasilien bisher eindrucksvoll: Der vierfache Turnier-Torschütze Thomas Müller. Für Löw sind die insgesamt neun WM-Tore des 24 Jahre alten Bayern auch Resultat harter Arbeit: „Er läuft wahnsinnig viel, er macht mit die meisten Kilometer bei uns, hat wahnsinnig gute Laufwerte.“
Die voraussichtliche Aufstellung:
Neuer - Boateng, Mertesacker, Hummels, Boateng - Khedira, Lahm, Kroos - Özil, Müller, Götze