EU einig über Sanktionen - Nato streitet ums Militär

Brüssel (dpa) - Die Europäische Union hat die Sanktionen gegen das Regime des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi verschärft. Zugleich erklärten die EU-Außenminister die Bereitschaft zu humanitärer Hilfe für die libysche Bevölkerung.

Unterdessen versuchten die 28 Nato-Staaten erneut, den erbitterten Streit um die Führungsrolle bei Militäraktionen beizulegen. Schon seit Freitag blockieren Frankreich und die Türkei im Nato-Rat aus unterschiedlichen Gründen ein Mandat, das vom UN-Sicherheitsrat genehmigte Flugverbot militärisch durchzusetzen.

Die EU-Außenminister beschlossen, neun Firmen - darunter drei führende Geschäftsbanken - auf eine Liste von Unternehmen zu setzen, deren Konten in der EU eingefroren werden. Auch wurde die Liste von knapp 30 Personen, denen die Einreise in die EU verboten wurde und deren Konten in der EU gesperrt wurden, um elf Mitglieder des Führungskreises von Gaddafi erweitert.

Deutschland hofft darauf, dass die EU noch in dieser Woche auch ein vollständiges Ölembargo gegen Libyen beschließt. „Es besteht Handlungsbedarf über die beschlossenen Sanktionen hinaus“, sagte Außenminister Guido Westerwelle. Spätestens beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag, möglichst aber noch vorher, solle ein solches Embargo beschlossen werden.

Nach Angaben von Diplomaten einigten sich die Minister auch auf eine Verstärkung der humanitären Hilfe in Libyen. Auf die Frage, ob auch militärisch durch die EU abgesicherte Hilfe möglich sei, sagte Westerwelle, dies wolle er „nicht ausschließen“. Dies bedeute jedoch „auch operativ erhebliche Risiken“. „Es hört sich in einer so konfliktreichen Region einfacher an als es wirklich ist. Man muss ja auch die Helfer schützen können“, sagte Westerwelle.

Der deutsche Außenminister sagte, Deutschland stehe mit der Ablehnung eines Militäreinsatzes in Libyen nicht alleine. „Wir haben sehr viel Verständnis auch für unsere deutsche Position erfahren“, sagte Westerwelle. Vor allem Warschau unterstützte Berlin. Deutschland hatte sich im UN-Sicherheitsrat bei der Entscheidung über Militäraktionen zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung der Stimme enthalten. Er könne „nicht deutsche Soldaten nach Libyen schicken weil es andere tun, sondern ich muss selbst davon überzeugt sein.“

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, sagte nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Kairo: „Wir respektieren die UN-Resolution 1973, wir haben nichts dagegen einzuwenden, vor allem weil diese Resolution weder zu einem Einmarsch noch zu einer Besetzung des libyschen Staatsgebietes aufruft.“ Am Vortag hatte er Besorgnis über mögliche zivile Opfer der Angriffe der westlichen Allianz auf Ziele in Libyen geäußert. Die Resolution solle schließlich weiteres Blutvergießen verhindern.

Westerwelle machte in Brüssel deutlich, dass er sich in den Äußerungen Mussas in seiner skeptischen Haltung zu Militäreinsätzen bestätigt fühlt. Andere Minister sahen das anders: „Ich habe keine Informationen, dass die Koalition bisher über das Mandat (des UN-Sicherheitsrates) hinausgegangen ist“, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. „Was die internationale Gemeinschaft hinsichtlich der UN-Resolution tut, ist absolut legal“, sagte auch die spanische Außenministerin Trinidad Jimenez.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton widersprach der Ansicht, es gebe Streit in der EU: Bei dem Libyen-Gipfel vom Wochenende in Paris habe es Einigkeit aller Teilnehmer über das Kommuniqué gegeben - „und das schließt Deutschland ein“.

In der Nato versuchten die Botschafter der Bündnisstaaten, den Streit über die Rolle der Allianz bei der Militäraktion gegen Libyen zu beenden. Nach Angaben von Diplomaten wehrte sich Frankreich, das gemeinsam mit Großbritannien und den USA in einer „Koalition der Willigen“ Angriffe gegen Ziele in Libyen geflogen hat, gegen eine Führungsrolle der Nato. Allenfalls sei man bereit, der EU eine solche Rolle zuzugestehen. Die Türkei, die zum Libyen-Gipfel am vergangenen Wochenende von Frankreich nicht eingeladen worden war, blockierte nach Worten von Verteidigungsminister Vecdi Gönül mit der Begründung, sie könne die Rolle Frankreichs nicht verstehen.