Euro-Krise: Sarkozy optimistischer als Merkel

Brüssel (dpa) - Entgegen allen Sparversprechen steuern einige EU-Staaten auf unerlaubt hohe Haushaltsdefizite zu - und sorgen für handfesten Ärger in der EU.

Kurz nach der Unterzeichnung eines Paktes für strikte Sparpolitik gab Wackelkandidat Spanien auf dem EU-Gipfel in Brüssel bekannt, ein höheres Defizit als geplant zu erwarten. Zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy tat sich zum Abschluss des Treffens eine tiefe Kluft über die Frage auf, ob die Finanzkrise beinahe ausgestanden ist.

Merkel warnte trotz der spürbaren Erholung auf dem verunsicherten Finanzmarkt: „Wir sind nach wie vor in einer fragilen Situation.“ Sie ergänzte: „Wir haben Fortschritte erzielt, aber zu sagen, es ist jetzt Entwarnung, das wäre jetzt viel zu früh.“ Sarkozy, Merkels engster Verbündeter beim Krisenmanagement, meinte hingegen: „Wir sind dabei, die Krise hinter uns zu lassen.“ Der konservative Staatschef kämpft zu Hause für eine Wiederwahl.

Massive Finanzspitzen der Europäischen Zentralbank (EZB) für Europas Geldhäuser hatten zuletzt für eine deutliche Beruhigung an den nervösen Finanzmärkten gesorgt.

25 Staatenlenker unterschrieben den Sparpakt, mit dem sie für mehr Haushaltsdisziplin und damit für Vertrauen an den Finanzmärkten sorgen wollen. Nationale Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild, die der Europäische Gerichtshof kontrolliert, sollen das Anhäufen von Schuldenbergen wie in Griechenland verhindern. Merkel sprach von einem „Meilenstein in der Geschichte der Europäischen Union“. Großbritannien und Tschechien bleiben außen vor. Der Vertrag muss nun noch in den Unterzeichnerländern gebilligt werden - in Irland steht eine Volksabstimmung dazu an.

Auf Druck internationaler Partner wie der USA stärken die Euroländer ihre „Schutzmauern“ gegen die Schuldenkrise. Die Bareinzahlungen in den neuen dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM werden vorgezogen, beschloss der Gipfel. In diesem Jahr werden bereits zwei von fünf Raten eingezahlt.

Noch im März werden die Euro-Finanzminister über eine Aufstockung der Krisenfonds EFSF und ESM entscheiden, kündigte Ratspräsident Herman Van Rompuy an. Der ESM-Schirm hat bisher einen Umfang von 500 Milliarden Euro - in der Debatte ist eine Erhöhung auf 1 Billion Euro oder mehr. Diskutiert wird auch eine Zusammenlegung des vorläufigen Rettungsschirms EFSF und des ESM.

Die Löcher in den Haushalten von Spanien und den Niederlanden sind größer als bisher angenommen. Beim Gipfel pochten die EU-Partner offiziell auf die Einhaltung der Budgetziele von maximal drei Prozent. Van Rompuy warnte: „Wenn wir das nicht konsequent tun, werden wir von den Märkten bestraft werden.“ Auch die Kanzlerin sagte auf eine Frage nach Spanien und den Niederlanden: „Es hat keinen Sinn, als erstes jetzt einmal zu erklären, dass die Ziele zum Defizitabbau nicht mehr gelten und gleich mal ein paar Länder rauszusuchen, für die das der Fall ist.“

Doch hinter den Kulissen wird an Lösungen gearbeitet. Die EU könnte nach Angaben von EU-Diplomaten Schuldensündern mehr Spielräume geben. So solle etwa für Spanien weiterhin die Vorgabe gelten, bis 2013 das Defizit auf die erlaubten 3 Prozent zu drücken. Doch in dem Zwei-Jahres-Zeitraum könnte mehr Flexibilität eingeräumt werden.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy kündigte in Brüssel an, seine Regierung erwarte im Haushalt 2012 eine Neuverschuldung von 5,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - statt die vereinbarten höchstens 4,4 Prozent. Grund seien schlechte Konjunkturaussichten.

Laut EU-Vorgaben soll Spaniens Defizit bis Ende 2013 auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung sinken. Madrid fürchtet, zu starke Einschnitte könnten das Wachstum abwürgen. Spanien leidet nicht nur unter der Finanzkrise, sondern auch unter einer Immobilienkrise.

Auch die Niederlande haben angekündigt, dass sie die Grenze für die Staatsverschuldung nicht einhalten können. Diese werde 2013 bei 4,5 statt 3 Prozent liegen.

Die Euroländer müssen nun noch ein kniffelige Personalfrage zu lösen. Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker will auf den Vorsitz der Finanzminister der 17 Euro-Länder verzichten. Das Mandat von „Mr. Euro“ läuft Ende Juni aus.