Fragen & Antworten: Enttäuschung im Papstland
Berlin (dpa) - Papst Benedikt XVI. ist in Deutschland seiner strengen Linie treu geblieben. Vier Tage lang machte er sich für einen innigeren Gottesglauben und gegen kirchliche Reformen stark.
Weder der Missbrauchskandal noch der Priester- und Mitgliederschwund veranlassen ihn zu einer Kursänderung. Doch viele Gläubige sind anderer Meinung. Die Tendenz, dass die Gemeinden ihre eigenen Wege gehen und die Worte des Papstes folgenlos verhallen, wird sich nach Einschätzung von Beobachtern verstärken. Eine Bilanz der Reizthemen:
Wie geht es weiter mit der Ökumene?
Der Papst hat kein ökumenisches Gastgeschenk mitgebracht. Er sieht in solchen Wünschen nur ein Missverständnis. Wichtiger sei es, im Glauben zu wachsen und gegen eine zunehmende Gottlosigkeit der Gesellschaft zu kämpfen. Gemeinsame Kommunionfeiern von Katholiken und Protestanten sind also weiter verboten. Denn nur in der Einheit mit dem Papst - der von evangelischen Christen nicht als Oberhaupt anerkannt wird - darf aus katholischer Sicht Eucharistie gefeiert werden. Die Praxis sieht vielerorts längst anders aus. Doch der Papst setzt mehr auf Ökumene mit den Orthodoxen als mit den Protestanten.
Müssen Staat und Kirche stärker getrennt werden?
Der Papst meint: Ja. In Freiburg forderte er überraschend, dass die Kirche auf staatliche Privilegien verzichten soll. Indirekt ging er damit auf die Kritik ein, die seine Rede im Bundestag und sein Gespräch mit Verfassungsrichtern ausgelöst hatte: Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei sahen darin ein Verstoß gegen die Trennung von Kirche und Staat. Sie wollen die Kirchensteuer, die Staatsleistungen an die Kirche, den Religionsunterricht und die theologischen Fakultäten abschaffen. Benedikt scheint das positiv zu sehen: Eine entweltlichte Kirche könne sich wieder auf ihren Kern besinnen. Für die Kirche in Deutschland - mit mehr als 500 000 Mitarbeitern der größte private Arbeitgeber - wäre das eine Revolution.
Hat sich Benedikt zur Sexualmoral geäußert?
Ja. Benedikt lobte die orthodoxen Kirchen dafür, dass sie die Werte von Ehe und Familie hochhalten. Es komme darauf an, „die Integrität und die Einzigartigkeit der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau vor jeglicher Missdeutung zu schützen“. Damit bekräftigte er seine rigorose Linie, wonach Homosexualität und künstliche Empfängnisverhütung von der Schöpfungsordnung abweichen. Im Bundestag verwies er auch auf die Naturrechtslehre, wonach die sittlichen Normen aus der unveränderlichen Natur des Menschen abgeleitet werden können. Rechtsphilosophisch gilt dies seit langem als überholt. Auch in der Praxis spielt es keine Rolle mehr: Die meisten Katholiken lassen sich vom Papst keine Verhütungsvorschriften machen.
Was hat der Papst zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen gesagt?
Bundespräsident Christian Wulff und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, verlangten mehr Barmherzigkeit mit Geschiedenen. Doch Benedikt hält dagegen: Es sei wichtig, „sich uneingeschränkt an einen Partner zu binden. Man findet kaum noch den Mut zu versprechen, ein Leben lang treu zu sein.“ Die Ehe ist für den Papst ein Sakrament, ihre Unauflöslichkeit ein Zeichen der Treue Gottes zu seiner Kirche. In der Praxis können Geschiedene längst vielerorts zur Kommunion gehen, aber offiziell bleibt es verboten.
Ist eine Lockerung des Zölibats in Sicht? Können bald auch Frauen Diakon oder Priester werden?
Nein. Der Papst hält am traditionellen Kirchenbild fest. Kirche ist weniger das wandernde Gottesvolk, das sich mitten in der Welt und Geschichte bewegt und verändert, sondern mehr der mystische Leib Christi. Für das Priesteramt gelten daher nicht die gesellschaftlichen Regeln der Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern mystische Regeln: Der Priester handelt in der Person und Nachfolge Christi und muss daher ein unverheirateter Mann sein.
Wie soll die Kirche auf den Priester- und Mitgliederschwund reagieren? Können künftig auch Laien Gemeinden leiten?
Darum geht es im Dialogprozess, den die Bischofskonferenz als Reaktion auf den Missbrauchskandal gestartet hat. Doch der Papst hat deutlich gemacht, dass er nicht viel davon hält. Denn nicht die Kirche, sondern den Glauben sieht er in der Krise. Den katholischen Laienverbänden und Gremien bescheinigt er „einen Überhang an Strukturen gegenüber dem Geist“. Ihre „kirchlichen Routiniers“ sähen in der Kirche „nur noch den Apparat, ohne dass ihr Herz vom Glauben berührt wären“. Kirchenfrust kommt nach Ansicht Benedikts dann auf, wenn man die Kirche mit einem irdischen Verein verwechselt.