„Fossil Deutschland“? Große Länder-Allianz für den Kohleausstieg
Bonn (dpa) - Heftiges Gedränge herrscht vor dem EU-Raum der Weltklimakonferenz in Bonn. Alle wollen dabei sein, wenn sich die neue Anti-Kohle-Allianz vorstellt. Auf den Tischen stehen Schilder mit den Namen von 25 Ländern und Regionen.
Frankreich, Großbritannien, Italien und andere EU-Länder sind dabei, aber auch Kanada, Mexiko und Angola. Sie alle schwören hier und heute der Kohle ab. Ausgerechnet der Gastgeber der Klimakonferenz fehlt jedoch: Deutschland glänzt durch Abwesenheit.
Ausgegangen ist die Initiative zu der „Powering Past Coal Alliance“ von Großbritannien und Kanada, doch alle Länder sind aufgerufen, sich ihr anzuschließen. „Gute Ideen entwickeln sich oft aus kleinen Anfängen“, sagt die sichtlich stolze britische Klima-Staatssekretärin Claire Perry. Sie kann sich vorstellen, dass bei der nächsten Klimakonferenz im kommenden Jahr in Polen der Raum schon viermal so groß sein muss. „Wir haben im Moment unglaublichen Rückenwind.“ Ihre kanadische Kollegin Catherine McKenna verkündet: „Der Markt hat sich bewegt. Die Welt hat sich bewegt. Die Kohle kommt nicht zurück!“
„Eine globale Allianz für die Abkehr von der Kohle: Bonn sendet ein Signal, das wir uns derzeit stärker kaum wünschen könnten“, freut sich der WWF-Klimaexperte Michael Schäfer - und fügt hinzu: „Es ist peinlich, dass Deutschland - ehemals Vorreiter beim Klimaschutz - nicht dabei ist.“ In den Augen von BUND-Chef Hubert Weiger droht Deutschland zum „Fossil der internationalen Klimapolitik“ zu werden. Jan Kowalzig von der Hilfs- und Umweltschutzorganisation Oxfam meint: „Was hier geschieht, ist ein sehr starkes Signal, auch an Berlin“.
Während in Bonn die große Koalition der Kohle-Aussteiger gebildet wird, verhandeln in Berlin die potenziellen Jamaika-Partner. Deutschland wird bei der Klimakonferenz von Umweltministerin Barbara Hendricks vertreten, die als SPD-Politikerin aber kaum etwas zum künftigen Klima-Kurs ihres Landes sagen kann. „Wir wurden gefragt, ob wir da mitmachen“, sagt sie zu der Kohleausstiegs-Allianz. „Ich habe um Verständnis gebeten, dass wir das nicht im Vorgriff auf die nächste Regierung entscheiden können. Die Initiative wird uns aber auf dem Laufenden halten.“
Noch nicht einmal die Kanzlerin kann - oder will - sich zurzeit festlegen, wie ihre vage gehaltene Rede bei der Konferenz am Mittwoch gezeigt hat. Dass sich ausgerechnet im Gastgeberland Deutschland und ausgerechnet einen Tag nach Merkels Auftritt ein neues Anti-Kohle-Bündnis bildet, kann man als Fingerzeig deuten. Am Mittwoch hatte bereits Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit einer umjubelten Rede die einstige Klima-Kanzlerin in den Schatten gestellt.
Greenpeace-Geschäftsführerin Sweelin Heuss forderte in Bonn: „Merkel muss endlich klar aussprechen, bis wann sich auch Deutschland von der klimaschädlichen Kohle verabschiedet.“
Zumindest einen Fürsprecher hat die Kohle in Bonn aber doch: Die US-Delegation warb Anfang dieser Woche in ihrer einzigen öffentlichen Veranstaltung für „sauberere und effizientere fossile Energien“. Der Auftritt wurde mit Hohn und Spott quittiert - das sei ungefähr so, wie wenn man bei einem Krebs-Kongress für Zigaretten werben würde, hieß es.
Das rechtspopulistische Nachrichtenportal „Breitbart“ allerdings - die publizistische Waffe von Donald Trumps ehemaligem Chefstrategen Stephen Bannon - war beeindruckt. Die Schlagzeile dort: „Alle bejubeln Trumps USA, das einzige ehrliche Land bei der Bonner Klimakonferenz“.