Grüner Wahltriumph bedroht Atomkonzerne
Karlsruhe/Berlin (dpa) - Paradoxer kann eine politische Situation kaum sein: Der erste grüne Ministerpräsident hat die Aktienmehrheit bei einem Energieversorger, der vier Atommeiler betreibt. Winfried Kretschmann, der im Mai voraussichtlich Regierungschef wird, will zwar ganz schnell aus der Kernenergie aussteigen, den Konzern aber auch nicht an die Wand fahren.
Kretschmann spricht von einer „schweren Hinterlassenschaft“ und kündigt einen zügigen Umbau des Stromversorgers an. Doch wie er das anstellen will, ist nicht klar. Denn im Moment gibt es etliche ungelöste Fragen zum Erbe von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU), der rund 45 Prozent der EnBW-Anteile für knapp 4,7 Milliarden Euro von dem französischen Energiekonzern EDF zurückkaufte.
Im Zuge dieses Deals bestellte Mappus auch gleich die Aufsichtsräte, darunter CDU-Staatsminister Helmut Rau und FDP-Justizminister Ulrich Goll. Sie sollen auf der Hauptversammlung am 19. April bestätigt werden - also bevor die neue Landesregierung vereidigt wird. Der Termin steht seit rund einem Jahr fest. „Da sind wir an das Aktienrecht gebunden“, erklärt ein EnBW-Sprecher, der die Stimmung im Konzern nach der Wahl als unaufgeregt schildert.
Die Mappus-Vertrauten könnten also ganz legal ihre gut dotierten Sitze für die kommenden fünf Jahre einnehmen. Sie wären auch kaum abwählbar, weil das Land dafür einen Teil der Stimmen des zweiten großen Anteilseigners, der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW), bräuchte. Dieser Zweckverband, der ebenfalls 45 Prozent hält, wird aber von CDU-Landräten dominiert.
Sollten die Mappus-Kandidaten nicht freiwillig das Feld räumen, prophezeien Beobachter ein „juristisches Gemetzel“. Die Landesregierung könnte dann in der Hauptversammlung ihre Anträge einbringen, um Vorstand und Aufsichtsrat zu verändern. Kretschmann und Co. könnten zudem über die Atomaufsicht und die wirtschaftspolitische Aufsicht den Kampf aufnehmen.
Bislang hängt die Wirtschaftsleistung des Unternehmens entscheidend von den Atommeilern ab, auch wenn EnBW-Chef Hans-Peter Villis das endgültige Aus für Neckarwestheim I und das dreimonatige Herunterfahren von Philippsburg I während des Moratoriums herunterzuspielen versucht.
Nach der Katastrophe in Japan ist die Aktie nach Ansicht von Beobachtern nicht mehr die 41,50 Euro wert, die Mappus bezahlt hat. Als Anteilseigner kann das Land kein Interesse daran haben, dass das Unternehmen noch weiter an Wert verliert. Damit wären auch Arbeitsplätze in Gefahr.
Für die Atombranche ist die Entwicklung im Südwesten der nächste Rückschlag. Inzwischen rechnet kaum noch jemand in Politik und Industrie damit, dass die nach Fukushima vom Netz genommenen sieben älteren AKW wieder angefahren werden.
Interessant wird sein, ob die Strombosse nun die direkte Konfrontation mit der schwarz-gelben Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) suchen und auf Schadenersatz klagen. Es könnte sein, dass ihnen aktienrechtlich keine andere Wahl bleibt.