Guttenberg: Das Netz polarisiert und politisiert
Berlin (dpa) - Erst haben die Gegner von Karl-Theodor zu Guttenberg gefeiert. Nach dem Rücktritt sammeln sich jetzt seine Anhänger im Internet und fordern sein Comeback. Experten sagen: Das Netz macht die Menschen politischer.
Politik per Mausklick: „Wir wollen Guttenberg zurück“. Nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers haben mehrere hunderttausend Menschen zu dieser Botschaft den Link angeklickt: „Gefällt mir“. Auf der zugehörigen Pinnwand treffen im Sekundenkontakt Kommentare ein, die einer der Unterstützer, der Mainzer Medienunternehmer Tobias Huch, auf den Nenner bringt: „Der Mann muss zurück. Gestern Minister, morgen Kanzler.“
Wie schnell sich die Anhänger von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mobilisieren, zeigt nach Einschätzung von Experten die Dynamik der Kommunikation im Internet unter dem Schlagwort „Social Media“. „Das wirkt bei ganz vielen Debatten extrem verstärkend“, sagt der Social-Media-Experte Björn Eichstädt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.
Das liegt auch an den speziellen Werkzeugen für den Austausch im Netz: Das „Gefällt mir“ auf Facebook - im Netz-Slang als „Liken“ bezeichnet - zeigt dem persönlichen Umfeld: Das ist mir sympathisch, das solltest du dir auch anschauen. Ähnliche Wirkung hat das „Retweeten“, das Weitertragen einer Twitter-Botschaft. Beide Mittel entfalten virale Wirkungen, wenn sie von vielen genutzt werden: Die Botschaft verbreitet sich so schnell wie ein Grippevirus - und wenn die Medien einsteigen, nimmt die Beschleunigung noch zu.
Die Guttenberg-Debatte enthalte, so erklärt Eichstädt die extreme Polarisierung im Netz, alle Bestandteile einer Kontroverse, der sich kaum jemand entziehen könne: „Da ist zum einen die tragische Heldengeschichte. Guttenberg ist wie der Ikarus der deutschen Politik - schnell aufgestiegen zur Sonne, verbrannt im hellen Licht der Öffentlichkeit und schnell abgestürzt. Zum anderen ist da die akademische Geschichte, die Empörung von Wissenschaftlern, dass ihre Standards mit Füßen getreten werden.“
Bereits im Sommer 2010 kündigte der Bremer Wissenschaftler Peter Kruse bei einer Anhörung der Internet-Enquete-Kommission im Bundestag eine „Repolitisierung der Öffentlichkeit“ an. „Was die Menschen im Moment merken, ist, dass man über die Netze mächtig werden kann“, sagte Kruse - lange vor den über das Netz befeuerten Aufständen in Nordafrika. Kruse empfahl den Politikern, „ein Gefühl für die Resonanzmuster der Gesellschaft“ zu entwickeln.
„Ja, das Netz macht uns politischer“, sagt Eichstädt, der als Geschäftsführer der PR-Agentur Storymaker unter anderem Social-Media-Strategien für Unternehmen entwickelt. Er erklärt dies unter anderem damit, dass der Zugang zu politikrelevanten Informationen jetzt sehr viel leichter möglich sei als im klassischen Politikbetrieb. Das Netz vermittelt das Gefühl, selbst Augenzeuge von aktuellen Vorgängen zu sein: „Politik hat auf einmal etwas mit mir zu tun.“
Allerdings fangen Politiker und Parteien gerade erst an, die Dynamik der Sozialen Medien in ihre Strategien einzubeziehen. Die Guttenberg-Debatte hat ihnen vor Augen geführt, dass die gewohnten Mechanismen der Krisenbewältigung nicht mehr greifen.
„Das Netz entfaltet seine eigene Mitmach-Dynamik“, sagt der Internet-Unternehmer Mario Grobholz, der sich vor allem mit der Reputation im Internet beschäftigt. „Aus der Analyse solcher Prozesse kann die Politik lernen, wie sie die Bürger für eine stärkere Beteiligung auch bei Wahlen gewinnen können.“ Dabei gehe es vor allem um die persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen, um den Kern der sozialen Vernetzung.