Hintergrund: Brennpunkte in Arabien

Berlin (dpa) - Es gärt in der arabischen Welt. Vom Atlantik bis zum Persischen Golf gehen immer wieder Tausende auf die Straße, um demokratische Reformen einzufordern. Die Machthaber reagieren zum Teil mit Gewalt.

LIBYEN: Die Westmächte nehmen mit massiven Luftangriffen libysche Stellungen unter Beschuss. Die Nato hat sich nach langem Streit darauf geeinigt, nun das Kommando zu übernehmen. Truppen des Langzeit-Diktators Muammar al-Gaddafi attackieren weiter Einheiten der Rebellen. Vor dem Einsatz der Alliierten kamen im libyschen Bürgerkrieg nach Schätzungen von Menschenrechtsgruppen bis zu 3000 Menschen ums Leben. Der Internationale Strafgerichtshof hat Ermittlungen gegen Gaddafi aufgenommen.

SYRIEN: Die Provinz Daraa ist seit Tagen Zentrum der Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad. Die Demonstranten fordern demokratische Reformen und die Wahrung der Menschenrechte. Die Staatsmacht reagierte mit Massenverhaftungen. Nach Berichten von Oppositionellen erschossen in der Nacht zum Mittwoch Sicherheitskräfte in Daraa mindestens 80 Demonstranten. Von Donnerstag an wurden - wie von Assad angekündigt - inhaftierte Demonstranten wieder freigelassen.

JEMEN: Seit Wochen fordern Demonstranten den Rücktritt von Langzeit-Präsident Ali Abdullah Salih. Schon bei früheren Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und Anhängern Salihs kamen mehrere Menschen ums Leben. Vor einer Woche feuerten Scharfschützen in der Hauptstadt Sanaa auf Demonstranten und töteten 53 Menschen. Der seit 1978 herrschende Salih stimmte am Mittwoch zwar vorgezogenen Wahlen noch in diesem Jahr zu. Er warnte seine Gegner aber zugleich vor einem Bürgerkrieg, falls sie weiter gegen ihn mobil machen sollten.

BAHRAIN: Das Militär des Königreiches beendete vergangene Woche gewaltsam den Dauerprotest der Reformbewegung. Bei Zusammenstößen in der Hauptstadt Manama kamen mehrere Menschen ums Leben. Die Opposition fordert den Rücktritt der Regierung als Bedingung für einen vom Königshaus angebotenen Dialog. König Hamad bin Issa al-Chalifa entließ mehr als 300 Oppositionelle aus der Haft, um die Proteste einzudämmen.

JORDANIEN: In Jordanien protestierten in den vergangenen Wochen Tausende für politische Reformen. In der Hauptstadt Amman wurden in der Nacht zum Freitag bei einem Angriff von Regimeanhängern auf eine Pro-Demokratie-Kundgebung 30 Demonstranten verletzt. König Abdullah II. sagte Reformen zu und tauschte die Regierung aus.

SAUDI-ARABIEN: Ein Aufruf junger Aktivisten zu einer Kundgebung für libysche Rebellen in der Hafenstadt Dschidda verhallte vor etwa zwei Wochen ungehört. Lediglich in der Ost-Provinz protestierten einige hundert Schiiten gegen die Diskriminierung ihrer Religionsgruppe und setzten sich über das Demonstrationsverbot im Königreich hinweg.

ÄGYPTEN: Rund fünf Wochen nach der Entmachtung von Präsident Husni Mubarak stimmten am Wochenende 77 Prozent der Ägypter in einer Volksabstimmung für eine Verfassungsreform, die den Weg für Neuwahlen ebnet. Viele Gegner des alten Regimes warnen vor schnellen Wahlen, die etablierte Gruppierungen wie Ex-Gefolgsleute Mubaraks und die Muslimbrüder begünstigen würden. Um neue Proteste zu unterbinden, schränkte die Übergangsregierung am Mittwoch das Demonstrations- und Streikrecht massiv ein.

MAROKKO: Demonstranten forderten in der vergangenen Woche erneut mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Bei früheren Protesten wurden mehrere Menschen getötet. Das Land hat ein Mehrparteiensystem und ein freigewähltes Parlament. Die Macht der Regierung ist aber begrenzt, da König Mohammed VI in wichtigen Fragen das letzte Wort hat. Angesichts der Unruhen will der Monarch einen Teil seiner Macht nun an Parlament und Regierung abgeben.

ALGERIEN: Sicherheitskräfte verhinderten vor einer Woche in Algier erneute Demonstrationen für demokratische Reformen. Bei früheren Protesten gab es mehrere Verletzte. Am Mittwoch starb ein sieben Jahre altes Mädchen an den Folgen eines Tränengaseinsatzes. Der seit 1992 geltende Ausnahmezustand wurde inzwischen aufgehoben. Er hatte dem Staat weitgehende Eingriffe in politische Rechte erlaubt.

TUNESIEN: Auch nach der Flucht des gestürzten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali am 14. Januar gingen die Proteste weiter. Nach erneuten blutigen Krawallen mit mindestens fünf Toten trat Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi zurück. Er war nach Ben Alis Sturz Chef der Übergangsregierung geworden, die das Land auf Neuwahlen vorbereiten soll.