Hintergrund: Die Bund-Länder-Einigung zur Flüchtlingshilfe
Berlin (dpa) - Bund und Länder haben sich auf ein umfangreiches Paket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise verständigt:
FINANZEN: Der Bund erhöht den für 2015 vorgesehenen Betrag zur Entlastung der Länder nochmals um eine Milliarde - über Anteile am Umsatzsteueraufkommen. 2016 sollen es gut vier Milliarden Euro werden.
Ab 1. Januar 2016 übernimmt der Bund dauerhaft einen Teil der Asylkosten. Den Ländern werden dazu 670 Euro pro Monat und Asylbewerber erstattet. Bei der Berechnung wird die erwartete Zahl von 800 000 Asylbewerbern in diesem Jahr zugrunde gelegt - und eine durchschnittliche Asylverfahrensdauer von fünf Monaten. Das ergibt 2,68 Milliarden Euro. Ende nächsten Jahres erfolgt eine genaue Abrechnung. Zudem soll auch für abgelehnte Antragsteller die 670-Euro-Pauschale an die Länder fließen, aber nur für einen Monat. Hier wird unterstellt, dass die Hälfte der Antragsteller anerkannt wird. Kalkuliert wird also mit 400 000 Asylbewerbern.
Weitere 350 Millionen Euro jährlich stellt der Bund für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bereit. Zudem gibt er den Ländern in den Jahren 2016 bis 2019 für den sozialen Wohnungsbau je 500 Millionen Euro. Kommunen erhalten über Ex-Militärflächen hinaus weitere Immobilien verbilligt für den sozialen Wohnungsbau. Geplant sind Anreize für den Bau preiswerter Wohnungen.
BETREUUNGSGELD: Der Bund stellt außerdem die durch den Wegfall des Betreuungsgeldes bis 2018 freiwerdenden Mittel den Ländern bereit - zur Verbesserung der Kinderbetreuung.
VERTEILUNG VON FLÜCHTLINGEN: Der Bund wird künftig die Verteilung der Flüchtlinge auf die Länder organisieren. Das läuft eigentlich per Computersystem nach dem „Königsteiner Schlüssel“ - also ausgerichtet nach Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder. Angesichts der vielen Engpässe ist inzwischen aber einige Koordination gefragt, weil nicht jedes Land, das nach dem regulären System gerade eine größere Zahl an Flüchtlingen aufnehmen müsste, auch genügend leere Plätze in Unterkünften hat. Diese Koordinierungsaufgabe übernimmt nun der Bund. Er richtet „Wartezentren“ für ankommende Flüchtlinge und verteilt die Menschen von dort aus.
„SICHERE HERKUNFTSLÄNDER“: Albanien, Kosovo und Montenegro sollen nach drei anderen Balkan-Staaten ebenfalls als „sichere Herkunftsländer“ eingestuft werden, um Antragsteller von dort schneller in ihre Heimat zurückzuschicken. Im vergangenen Jahr hatte die Regierung das bereits mit Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina gemacht. Die Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ wird alle zwei Jahre überprüft. Für Asylbewerber aus diesen Staaten, die ab dem 1. September 2015 einen Asylantrag gestellt haben, wird ein Beschäftigungsverbot eingeführt. Dies gilt während des Asylverfahrens - und dann, wenn der Asylantrag abgelehnt ist, was bei Menschen vom Balkan in den allermeisten Fällen geschieht. Gleichzeitig will der Bund für Menschen aus den sechs Staaten aber neue Wege zur legalen Arbeitsmigration nach Deutschland schaffen - als Alternative zum Asylsystem. Wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag „mit tarifvertraglichen Bedingungen“ vorweisen kann, soll hier arbeiten oder eine Ausbildung aufnehmen dürfen.
ASYLVERFAHREN: Asylbewerber sollen künftig bis zu sechs Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden. Bislang ist das nur bis zu drei Monate vorgesehen. Antragsteller aus „sicheren Herkunftsstaaten“ sollen verpflichtet werden können, komplett bis zum Abschluss des Asylverfahrens in solchen Erstaufnahmestellen zu bleiben. Während des Aufenthalts dort sollen Flüchtlinge möglichst nur Sachleistungen erhalten, „sofern mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich“. Geldleistungen sollen künftig auch nur noch höchstens einen Monat im Voraus ausgezahlt werden.
GESUNDHEITSKARTE: Die Einführung bleibt den Ländern überlassen. Der Bund schafft die dafür notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen. Die gesetzlichen Krankenkassen sollen von den Ländern verpflichtet werden können, gegen Kostenerstattung die Krankenbehandlungen bei Asylbewerbern zu übernehmen. Mit einer Gesundheitskarte sollen Flüchtlinge direkt zum Arzt gehen können. Bislang müssen sie dazu vorher das Ok der zuständigen Behörde einholen. Die medizinischen Leistungen für sie bleiben aber auch mit diesem Modell eingeschränkt.
INTEGRATIONSKURSE: Der Bund öffnet die Integrationskurse für Asylbewerber, die eine „gute Bleibeperspektive“ haben, und stockt die Mittel dafür auf.
ARBEIT: Das Leiharbeitsverbot für Asylbewerber und Geduldete wird gelockert.
SCHLEPPER: Die Strafbarkeit von Schleusern wird verschärft. Künftig gilt für sie eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten.