Hintergrund: Die Lokführer und der „gordische Knoten“
Berlin (dpa) - Die Lokführer sind grimmig, hunderttausende Reisende verunsichert, die Bahn zusehends verärgert. Der Tarifstreit um einheitliche Bedingungen für rund 26 000 Lokführer in der Republik entwickelt sich zum quälenden Ringen.
Fast acht Monate nach dem Start der Gespräche über einen „Bundes-Rahmen-Lokomotivführertarifvertrag“ ist die nächste Eskalationsstufe erreicht - mit verschärften Streiks will die Gewerkschaft GDL Bewegung erzwingen, nachdem sie in einer Urabstimmung entschlossene Rückendeckung bekam. Dabei wissen alle Tarifparteien: Sie müssen irgendwie zurück an den Verhandlungstisch.
Warum ist die Lage so blockiert?
Gegenseitige Appelle gab es seit dem Abbruch der Gespräche Ende Januar reichlich. Die Arbeitgeber müssten „ein verhandlungsfähiges, und das heißt ein ernstgemeintes und verbessertes Angebot vorlegen“, lautet die Ansage aus der GDL-Zentrale in Frankfurt. „Dann werden wir sofort verhandeln.“ Umgekehrt rufen auch die Deutsche Bahn und ihre sechs großen Konkurrenten Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn die GDL zu Gesprächen auf. Schließlich seien wichtige Forderungen schon weitgehend erfüllt, und darüber solle doch ernsthaft geredet werden. „Der gordische Knoten kann nur auf dem Verhandlungsweg zerschlagen werden“, mahnt der Personalvorstand der Deutschen Bahn (DB), Ulrich Weber.
Was ist der große Streitpunkt?
Zentrales Ziel der GDL sind gleiche Einkommen für Lokführer im Fern-, Nah- und Güterverkehr auf dem Niveau des Marktführers DB plus fünf Prozent Aufschlag. Zu Zugeständnissen muss die Gewerkschaft also besonders die DB-Konkurrenten bewegen, die bis zu 30 Prozent weniger zahlen. Daher empört es den bundeseigenen Konzern, dass bei den drei bisherigen Warnstreiks vor allem Loks mit dem DB-Logo gestoppt wurden. Und auch der erweiterte Arbeitskampf im Güterverkehr trifft den Branchenprimus. Dabei gibt es schon einen Vertrag über gleiche Bezahlung. Jedoch nur im Nahverkehr, und ausgehandelt hat ihn die Konkurrenzgewerkschaft EVG. Dass dieser noch sechs Prozent Abstand zur DB gestattet, ist für die GDL aber „kein akzeptables Tarifniveau“.
Welche Rolle spielt die Gewerkschafts-Rivalität?
Der GDL geht es auch ums Grundsätzliche. Was sie 2007/2008 bei der DB in einer erbitterten Tarifschlacht erkämpfte, will sie jetzt bei den anderen Bahnen erzwingen: eine eigenständige Verhandlungsmacht unabhängig von der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Es sei „bedauerlich, dass wir nochmals klarziehen müssen, dass wir im Eisenbahnverkehrsmarkt die Lokführer tarifieren und nicht irgendjemand anders“, donnerte GDL-Chef Claus Weselsky. Doch das trifft auf Widerstand. Die sechs DB-Konkurrenten treten aus Ärger über den „Alleinvertretungsanspruch“ der GDL nicht mehr als Gruppe auf. Vorerst wären also Gespräche mit 25 Einzelgesellschaften nötig. Und auch EVG-Boss Alexander Kirchner moniert, die GDL könne nicht für „die“ Lokführer sprechen, da rund 5000 davon EVG-Mitglieder seien.
Welche Lösungswege sind denkbar?
Naheliegend wäre, einen Schlichter einzuschalten. Dafür bot sich schon Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) an, der Mitte Januar die Einigung im Nahverkehr vermittelt hatte. Die GDL lehnte dies aber ab, da Struck im Tarifkonflikt 2007/2008 zur Bahn gehalten habe. Prinzipiell wäre „zu gegebener Zeit“ eine Schlichtung jedoch möglich. Vorerst abwartend verfolgt die Politik den Konflikt. In den ersten Tarifkrimi um die Lokführer des Bundes-Konzerns hatte sich Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mehrfach eingeschaltet, zum Missfallen des damaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn. Der jetzige Ressortchef Peter Ramsauer (CSU) argumentierte: „Es ist nicht meine Aufgabe, mich operativ in Auseinandersetzungen einzumischen.“