Hintergrund: Parteienstreit um das Wahlrecht
Berlin (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat das alte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag im Juli 2008 für verfassungswidrig erklärt. Denn das komplizierte System stellt den Wählerwillen mitunter auf den Kopf.
So können mehr Stimmen für eine Partei weniger Mandate bedeuten und umgekehrt. Worum geht es?
ÜBERHANGMANDATE entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland über die Erststimmen mehr Mandate direkt erobert, als ihr nach der Zahl der Zweitstimmen zustehen. Legt ein direkt gewählter Abgeordneter dieser Partei im Laufe der Legislaturperiode sein Mandat nieder, geht der Sitz verloren. Die Karlsruher Richter hatten schon im Februar 1998 entschieden, dass ausscheidende Gewinner von Überhangmandaten nicht durch Listennachrücker ersetzt werden dürfen.
Das NEGATIVE STIMMENGEWICHT bezeichnet einen kuriosen Effekt, der mit den Überhangmandaten zusammenhängt: Bei Bundestagswahlen kann ein Gewinn an Zweitstimmen für eine Partei nämlich zum Verlust eines Abgeordnetenmandats führen. Denn die Zahl der Zweitstimmen in einem Bundesland ist ausschlaggebend für die Verteilung der Mandate auf die einzelnen - miteinander verbundenen - Landeslisten. Eine niedrige Stimmenzahl kann zur Folge haben, dass eine andere Landesliste vorrangig zum Zuge kommt.
Tritt eine solche Konstellation aber in einem Land ein, in dem eine Partei Überhangmandate gewonnen hat, kann die Verlagerung eines Mandats auf eine andere Landesliste sogar günstig sein. Auch wenn weniger Zweitstimmen dazu führen, dass bei der parteiinternen Verteilung der Listenmandate eine Liste aus einem anderen Bundesland zum Zuge kommt, bleiben die Direktmandate gleichwohl erhalten. Unter dem Strich hat eine Partei damit - trotz Stimmenverlusten - ein Mandat gewonnen.