Analyse Hoffnung für Yücel?

Belgrad (dpa) - Außenminister haben nicht allzu oft gute Nachrichten zu verkünden. Meistens geht es in dem Job um Krisen, Kriege und zähe Verhandlungen mit minimalen Fortschritten darüber. Als Sigmar Gabriel am Mittwochmorgen in Belgrad landet, hat er ausnahmsweise mal eine frohe Botschaft parat.

Foto: dpa

Und sie ist ihm so wichtig, dass er sie entgegen der protokollarischen Gepflogenheiten auch gleich auf dem Rollfeld vor Kameras verbreitet - obwohl sie mit Gastgeber Serbien nichts zu tun hat. Es geht um den Fall Deniz Yücel: „Ich bin relativ optimistisch, dass wir doch jetzt bald zu einer Gerichtsentscheidung kommen. Und ich hoffe natürlich, dass sie positiv für Deniz Yücel ausgeht“, sagt Gabriel an dem Tag, an dem sich die Inhaftierung des „Welt“-Korrespondenten zum ersten Mal jährt. Kurz zuvor hatte sich der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim in einem ARD-Interview bereits ähnlich geäußert: „Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelassen wird. Ich bin der Meinung, dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird.“

Der Fall Yücel ist mit der Amtszeit Gabriels eng verknüpft. Als der 44-jährige Deutschtürke am 14. Februar 2017 wegen Terrorvorwürfen festgenommen wurde, war Gabriel gerade einmal zwei Monate Chef des Auswärtigen Amts. Kein Thema hat ihn in den folgenden Monaten so sehr beschäftigt wie dieses.

Erst hat er mit Druck versucht, Yücel freizubekommen. Dann wieder mit Entgegenkommen. Zwischenzeitlich aktivierte er sogar Altkanzler Gerhard Schröder als Vermittler, der sich gut mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan versteht. Was bei den diversen Treffen und am Telefon geredet worden ist, was die deutsche Seite der türkischen womöglich als Gegenleistung angeboten hat, ist nicht bekannt - und man wird es vielleicht auch nie erfahren.

Aber wie geht es jetzt weiter? Kommt Yücel tatsächlich bald frei? Yildirim verwies in dem Interview zwar wie immer auf die Unabhängigkeit der türkischen Justiz. Auf wen es bei wichtigen Entscheidungen in der Türkei aber vor allem ankommt, ist auch in Berlin bekannt: Erdogan. Dass er Yücel nach dessen Inhaftierung einen „Terroristen“ und einen „deutschen Agenten“ genannt hatte, dürfte wesentlich zum Stillstand in dem Verfahren beigetragen haben. Womöglich hat die Staatsanwaltschaft bis heute keine Anklageschrift gegen Yücel vorgelegt, weil sie diese Anschuldigungen nicht belegen kann.

Um ein Gerichtsverfahren zu eröffnen, muss allerdings erst eine Anklage vorliegen. Wie schnell das gehen kann, wenn es gewollt ist, zeigte der Fall des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner, der im Oktober aus türkischer Haft entlassen worden war. Kurz zuvor hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu signalisiert, dass Bewegung in den Fall Steudtner kommen würde - wie nun auch Yildirim im Fall Yücel. Steudtner wurde am ersten Verhandlungstag freigelassen - und konnte am Tag darauf nach Deutschland ausreisen.

Es könnte jetzt also schnell gehen. Die Annäherung erfolgt sicherlich nicht zufällig einen Tag vor einem Besuch Yildirims bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Gabriel trifft dann am Wochenende am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu.

Für ihn wäre die Freilassung Yücels ein Erfolg zur rechten Zeit. Gabriel kämpf wieder verstärkt um sein Amt, seit Martin Schulz am Freitag sein Vorhaben aufgegeben hat, als Chefdiplomat ins Kabinett zu wechseln. Die Chancen Gabriels sind bescheiden. In der SPD-Führung hat er so gut wie keinen Rückhalt. Sein Angriff gegen Schulz („Der Mann mit den Haaren im Gesicht“) hat seinen Gegnern in die Hände gespielt.

Andererseits ist Gabriel in der Bevölkerung so beliebt wie kein anderer SPD-Politiker. Und auf dem internationalen Parkett würde ein Nachfolger lange benötigen, um sein Ansehen und seine Vernetzung zu erreichen.

So outete sich in Belgrad der serbische Präsident Aleksandar Vucic entgegen allen diplomatischen Gepflogenheiten als Gabriel-Fan und stimmte eine regelrechte Lobeshymne auf ihn an. „Ich würde es gerne sehen, wenn er an einer guten, einer wichtigen Stelle der deutschen Regierung bleiben würde“, sagte Vucic. „Ich glaube, das wäre für das deutsche Volk richtig und gut.“

Gabriel tat so, als wenn ihn so viel Lob peinlich berühre: „Ich danke für die freundlichen Worte und hoffe, dass Sie sie in Deutschland nicht senden.“ Aber natürlich dürften ihm solche Worte gut tun, angesichts der Prügel, die er zuletzt aus der eigenen Partei einstecken musste.

Als Chefdiplomat dreht er in den nächsten Tagen noch einmal auf. Am Donnerstag ist er bei einem EU-Außenministertreffen in Sofia. Und am Freitag und Samstag wird er als Außenminister und Vizekanzler bei der Münchner Sicherheitskonferenz Deutschland repräsentieren - als Vertreter von Kanzlerin Merkel, die in Berlin bleibt.

Bei Schulz hat sich Gabriel übrigens inzwischen entschuldigt. Und er hat gelobt, die Entscheidung der Parteiführung über den Außenministerposten ohne Murren zu akzeptieren. „Jeder Parteivorstand hat das Recht, Ministerposten neu zu besetzen“, sagte er in einem am Donnerstag veröffentlichtem „Zeit“-Interview. „Da gibt es nichts zu kritisieren und schon gar nicht zu grollen oder zu jammern, sondern zum Abschied leise Servus zu sagen.“