„Ich hab' die Schnauze voll“ - EHEC und die Folgen
Kiel/München/Berlin (dpa) - Tomaten und Gurken als Ladenhüter, schimpfende Händler, verunsicherte Kunden: Auf dem Wochenmarkt, bei den Bauern und im Restaurant ist EHEC das Thema Nummer eins. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht.
Die Bauern pflügen ihr unverkäufliches Gemüse unter, und was doch noch auf dem Markt landet, liegt oft wie Blei auf den Tischen. „Salat geht gar nicht mehr“, sagt Volker Mißfeldt, der auf dem Kieler Exerzierplatz Gemüse und Obst anbietet. Tomaten und Gurken verkaufen sich viel schlechter als sonst, manche Händler bieten sie nur noch in der zweiten Reihe an. Von 80, gar 90 Prozent Minus bei manchem Gemüse berichtet Sönke Boie. „Tomaten, Gurken, Paprika - das kannst du alles in die Tonne kloppen.“
Mitten in der Saison ist der große Wochenmarkt in der Kieler Innenstadt normalerweise ein lebhafter Platz voller Kunden, die untereinander und mit den Verkäufern gern über Gott und die Welt „Klönschnack“ halten. An diesem Tag verlieren sich nur wenige Käufer auf dem weitläufigen Platz, und es gibt ein einziges Thema: die EHEC-Krise. „Ich hab' die Schnauze voll von all dem Kram“, schimpft eine Händlerin lauthals. Das bezieht sich auch auf die Berichterstattung in den Medien. „Jeden Tag wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben.“
Ein paar Meter weiter wettert Sönke Ingwersen: „Das ist eine Schweinerei, die Sachen sind alle EHEC-frei. Und die geben trotzdem keine Entwarnung.“ Wenige Kunden gehen gerade an dem Stand vorbei; sie werfen ein paar Blicke, das war's. „Die kaufen ja nicht einmal Spargel, und der wird gekocht, das ist unglaublich“ - Ingwersen ist stinksauer.
„Lecker und gesund. Salat aus eigenem Anbau“ steht gegenüber auf einem Schild. Der Verkäufer besprüht die Pflanzen mit Wasser. Mit Journalisten mag er nicht reden, nur so viel: „Ich kann weiter verkaufen, an Stammkunden.“ Kundenvertrauen hilft auch dem Gemüsebauern Mißfeldt. „Was ich habe, hat garantiert kein EHEC“, versichert er. „Die Kunden fragen uns, was sie essen können.“ Und wenn sie den Erzeuger kennen, überwinden manche auch ihre Ängste. „Wir verkaufen eine Schale Erdbeeren für 2,40 Euro, andere für 1 Euro - die kommen vom Großmarkt und unsere von meinem Nachbarn“, sagt Mißfeldt.
Pragmatisch geht es auch in Berlin zu: „Bei uns gibt's die Peking Ente jetzt eben mit einer anderen Beilage“, sagt Bin Wang, Kellner im chinesischen Restaurant „Peking Ente“ in Mitte. „Statt Gurke servieren wir Spitzkohl.“ Auch Sprossen wurden von der Speisekarte verbannt. Den Gästen schmecke es aber dennoch, der Umsatz stimme trotz des Darmerregers EHEC.
Ganz anders sieht es bei Gemüsehändlern in der Hauptstadt aus: Auch Enes Kucak bleibt auf seinem Gemüse sitzen. „Tomaten und Gurken gehen fast nicht mehr“, sagt der Händler am Kottbusser Tor. Ein Kilo Tomaten für 49 Cent. Zwei Gurken für einen Euro. Schleuderpreise für Gemüse aus den Niederlanden. „Trotzdem verkaufen wir gerade mal zwei Kisten am Tag.“ Normalerweise seien es zehn. Nur die Minigurken verkauften sich gut. „Die Leute wissen, dass die aus der Türkei kommen.“
Auf dem Münchner Viktualienmarkt fallen die in Verruf geratenen Gemüsesorten gar nicht wirklich auf: Die Gurken stehen ganz versteckt hinten in der Ecke des Standes. Auch Tomaten und Salat scheinen die Obst- und Gemüsehändler zwischen anderen Waren fast versteckt zu haben. Auf den Schildern vor ihren Ständen werben sie für Produkte, die momentan besser laufen: Mini-Bananen und Ananas.
Wie ihre Kollegen aus Norddeutschland leiden auch die bayerischen Händler unter den Auswirkungen der EHEC-Krise - und haben sich auf die geringere Nachfrage eingestellt. Der Verkauf von Blattsalat, Gurken und Tomaten sei um 90 Prozent eingebrochen, sagt der Präsident des bayerischen Fruchtverbands, Günther Warchola.
Die Händler auf dem Viktualienmarkt gehen vergleichsweise entspannt mit der Situation um - auch wenn die meisten von ihnen das Thema EHEC nicht mehr hören können. In erster Linie sprechen sie von „Panikmache“ und „haltlosen Spekulationen“. „Unsere Stammkunden wissen, woher wir unser Gemüse haben“, sagt eine verärgerte Verkäuferin. Der Großteil der Ware stamme von Gärtnern aus der Umgebung.
Der Dialog mit den Kunden ist auch in Düsseldorf entscheidend: „Man muss viel mehr mit den Leuten reden“, sagt Verkäuferin Hannelore Beilstein. Da die Stände vor allem Produkte aus der Region anböten, ließen sich die Menschen aber oft zum Kauf überzeugen. „Was sollen sie auch sonst tun. Irgendetwas müssen sie ja essen“, sagt Standbetreiberin Eva Adamidou.