Juppé: Unverständnis gegenüber Berlins Libyen-Kurs

Paris (dpa) - Frankreich betrachtet die deutsche Zurückhaltung beim Libyen-Einsatz mit gewissem Unverständnis. „Manche EU-Partner halten die EU offenbar für eine humanitäre Hilfsorganisation“.

Das sagte der französische Außenminister Alain Juppé auch in Anspielung auf Deutschland. Frankreich wolle hingegen, dass die EU eine politische Kraft sei, die auch militärisch eingreifen könne, fügte er hinzu. „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass nicht immer dieselben Länder vorangehen“, sagte er.

Juppé meinte, es gebe eine variable Geometrie: Bei der Wirtschaftspolitik spielten die Länder der Eurozone eine wichtige Rolle, bei der Verteidigung zeichne sich eine franko-britische Achse ab. Juppé betonte, dass dies dem deutsch-französischen Verhältnis aber keinen Abbruch tue. „Ich mag meinen Amtskollegen Guido Westerwelle sehr gern und will eng mit ihm zusammenarbeiten. Er hat seinen Standpunkt, ich habe meinen. Das kommt vor“, sagte Juppé. Bei wirtschaftlichen Fragen arbeiteten Frankreich und Deutschland weiterhin Hand in Hand.

Nach Einschätzung von Juppé werden die Luftangriffe gegen Libyen nicht allzu lange dauern, „eher Tag oder Wochen als Monate“, sagte er. Die Nato werde vor allem eine operative Rolle spielen. Daneben werde es die politische Kontaktgruppe geben, die sich am Dienstag in London erstmals treffen wolle. Ob daran auch die libysche Opposition beteiligt werde, sei noch nicht geklärt. „Wir denken schon jetzt über das Ende des Militäreinsatzes nach“, beteuerte er. „Es geht uns nicht darum, das Regime auszuwechseln. Das ist Aufgabe der Libyer“, sagte Juppé.

Juppé wies außerdem Berichte zurück, nach denen er von dem Vorgehen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy erst im Nachhinein informiert worden sei. Französische Medien hatten berichtet, dass Sarkozy auf Anraten des Intellektuellen Bernard Henri Levy die libysche Opposition überraschend diplomatisch anerkannt hatte. Juppé habe dies erst erfahren, als er in Brüssel aus dem Zug gestiegen sei.