Kampf gegen den GAU - Chaos in Japan
Berlin/Tokio (dpa) - Japan kämpft verzweifelt gegen eine drohende Kernschmelze in drei Atomreaktoren. In Deutschland reagiert Bundeskanzlerin Angela Merkel auf die Katastrophe mit einer drastischen Kurskorrektur bei der Kernkraft.
Schon in Kürze werden mehrere ältere Anlagen abgeschaltet.
Die EU plant für Dienstag ein Krisentreffen. Drei Tage nach dem Erdbeben verschärfte sich die Lage an den beschädigten Reaktoren weiter: In der Unglücksanlage Fukushima Eins stieg nach Angaben des Kraftwerksbetreibers die radioaktive Strahlung. Die Nachrichtenagentur Kyodo meldete, die Brennstäbe im Reaktorblock 2 seien zeitweise ohne jedes Kühlwasser gewesen. Nun drohe bereits in drei Reaktoren eine Kernschmelze, erklärte die Regierung. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Wien sagte, bisher sei dies aber noch nicht eingetreten.
Den Fukushima-Reaktor 3 hatte zuvor eine Explosion erschüttert. Beschäftigte wurden radioaktiv verstrahlt. Am Haupttor des Kraftwerks Fukushima Eins stieg die Strahlung am Abend mit 3100 Mikrosievert auf das Doppelte des zuvor gemessenen Maximums - bei einer Röntgenaufnahme des Oberkörpers sind es rund 80 Mikrosievert.
Am Samstag hatte bereits eine Explosion ein Gebäude am Reaktorblock 1 zerstört. Auch in den Atomkraftwerken Fukushima Zwei, Onagawa und Tokai gab es am Montag ernste Probleme.
In Teilen des Landes werden Strom, Lebensmittel und Kraftstoff knapp, auch in Tokio. Vor Supermärkten und Tankstellen bildeten sich lange Schlangen. Die Behörden zählten seit dem Erdbeben und den Riesenwellen vom Freitag 5000 Tote und namentlich bekannte Vermisste. 550 000 Menschen suchten Zuflucht in Auffanglagern. Andere setzten sich nach Süden ab, weg vom Ort der Atom-Störfälle.
Der Strom dürfte in der asiatischen Industrienation über Wochen rationiert sein. Die Menschen müssen sich für lange Zeit auf Lieferprobleme und Abschaltungen einstellen. Die Rationierung in der Stromversorgung werde mindestens bis Ende April dauern, berichtete die Agentur Kyodo unter Berufung auf den Elektrizitätsversorger Tepco.
In Deutschland wird das seit 1976 laufende Atomkraftwerk Neckarwestheim 1 in Baden-Württemberg jetzt vom Netz genommen, wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) am Montag erläuterte. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) will das umstrittene Kernkraftwerk Isar I abschalten.
Der südhessische Atommeiler Biblis A geht nach Angaben der Landesregierung in Wiesbaden im Juni für zunächst einmal acht Monate vom Netz - zunächst für Revisionsarbeiten, wie Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) sagte. Erst im Herbst 2010 hatte die Bundesregierung eigentlich die Laufzeitverlängerung für die AKW um durchschnittlich zwölf Jahre beschlossen.
Die Energieminister der 27 EU-Mitgliedstaaten wollen am Dienstag in Brüssel zu einem Krisentreffen zusammenkommen. „Dabei geht es um die Frage, ob wir europaweit neue Regeln festlegen müssen“, sagte eine Kommissionssprecherin. In 14 EU-Staaten gibt es insgesamt 143 AKW, 17 davon stehen in Deutschland.
An der Börse von Tokio brachen die Kurse am Montag nach dem Erdbeben massiv ein. Europas Börsenhändler trotzten dem Sog der dortigen Panikverkäufe indes weitgehend. Die japanische Notenbank stellte den Banken eine Rekordsumme von 15 Billionen Yen (rund 130 Milliarden Euro) an kurzfristiger Notfall-Liquidität zur Verfügung.