Porträt Martin Schulz: Von ziemlich weit unten nach ganz oben

Brüssel (dpa) - „Ehrgeizig“, „machtbewusst“, „zielstrebig“: Wer in den vergangenen Wochen mit Menschen sprach, die Martin Schulz kennen, konnte ahnen, dass dieser nichts dem Zufall überlassen wird.

Mit der Ankündigung, zum Bundestagswahlkampf in die deutsche Politik zurückzukehren, beendet der 60-Jährige jetzt die Spekulationen darüber, ob er nicht doch weiter EU-Parlamentspräsident bleiben könnte. Offen ist nur noch die Frage, ob der bislang wichtigste Deutsche in Brüssel als SPD-Kanzlerkandidat antritt oder „nur“ als prominenter Unterstützer eines Kandidaten namens Sigmar Gabriel.

Dass Schulz dahin gelangte, wo er heute ist, hat vor allem mit harter Arbeit und den oben genannten Eigenschaften zu tun, die auch Parteifreunde wie Ex-Kanzler Gerhard Schröder herausstreichen. Nachdem der Sohn eines Polizisten und einer CDU-Lokalpolitikerin als junger Erwachsener eine Zeit lang dem Alkohol verfallen war, machte er sich als Buchhändler selbstständig und nahm auch auf der politischen Karriereleiter eine Stufe nach der anderen.

Mit 31 Jahren wurde Schulz 1987 in seiner Heimatstadt Würselen zum damals jüngsten Bürgermeister Nordrhein-Westfalen gewählt. Sieben Jahre später folgte der Einzug ins Europaparlament, wo er als wortgewaltiger Lautsprecher erst Vorsitzender der Sozialdemokraten und schließlich Parlamentspräsident wurde.

2015 bekam Schulz für seinen Beitrag zur Stärkung der europäischen Demokratie den Aachener Karlspreis verliehen. Damals hielten unter anderen Frankreichs Staatspräsident François Hollande und Bundespräsident Joachim Gauck die Festreden auf den Politiker, der seine Karriere mit Realschulabschluss und Buchhändlerlehre gestartet hatte.

„Jeder, der dich kennt, weiß, dass immer mit dir gerechnet werden muss. Du gibst niemals auf und gibst niemals nach im Kampf für die Dinge, an die du glaubst“, sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk damals mit Hochachtung zu Schulz. Er beobachte voller Bewunderung, wie der Deutsche „mit eindrucksvoller Autorität“ die großen europäischen Debatten lenke und dabei wirke wie „der gefürchtete Dirigent eines großen demokratischen Orchesters“.

Gerade wegen diesen Fähigkeiten gibt es in Brüssel nun aber nicht nur solche, die traurig sind, dass Schulz zurück nach Deutschland geht. Hinter vorgehaltener Hand hatte in den vergangenen Monaten selbst der eine oder andere Sozialdemokrat zu verstehen gegeben, dass er nichts gegen einen Wechsel an der Spitze des Europaparlaments einzuwenden hätte. Zu abgehoben, zu sehr auf den eigenen Vorteil bedacht habe Schulz zuletzt agiert, lautete die weit verbreitete Kritik.

Kanzlerkandidat oder Nummer 2 hinter Sigmar Gabriel? Welche dieser beiden Optionen Schulz lieber wäre, ist in Brüssel ein offenes Geheimnis. Auf seiner Internetseite präsentiert sich der von der „Süddeutschen Zeitung“ einst als „Kissinger von Würselen“ bezeichnete Politiker vor allem in staatsmännischen Posen. „Die SPD muss den Anspruch haben, stärkste Partei zu werden“, lautet eine der Überschriften auf seiner Homepage.

Dazu gibt es Hinweise darauf, mit welchem Image Schulz seine Ziele erreichen will. Gerne verlinkt er auf seiner Internetseite zu Beiträgen, die ihn als „Der bodenständige Buchhändler“ präsentieren oder als Politiker, der „immer auf Achse, immer im Modus der Krisenbewältigung und immer am Reden“ ist.

Über das vielleicht finsterste Kapitel seiner Vergangenheit spricht der fußballbegeisterte Vater von zwei Kindern mittlerweile offen: „Vielleicht kann mein Leben anderen Mut machen, auch ihre Sucht anzugehen“, sagte er der Zeitschrift „Bunte“ zu seiner früheren Alkoholsucht. Er sei damals ein „Sausack“ gewesen.