Maut, Steuern, Mindestlohn: Koalitionsverhandlungen gestartet

Berlin (dpa) - Hart in der Sache und moderat im Ton sind Union und SPD in die Marathonverhandlungen für eine große Koalition gestartet. Die SPD wollte ihre Forderung nach Steuererhöhungen vor dem Beginn der Verhandlungen in der CDU-Zentrale in Berlin nicht völlig vom Tisch nehmen.

CDU und CSU betonten dagegen, die Bürger dürften nicht weiter belastet werden - es werde keine höheren Steuern geben. Beim Streitthema Pkw-Maut liegen die Positionen ebenfalls weit auseinander. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte dennoch über die Gespräche: „Ich bin sehr zuversichtlich.“

Zum Auftakt sollte die 75 Personen starke große Runde die Organisation der Verhandlungen und mögliche Knackpunkte klären. Daneben gibt es zwölf Arbeitsgruppen mit jeweils 17 Personen und vier Untergruppen. Die Koordination übernimmt eine Steuerungsgruppe um die Generalsekretäre Hermann Gröhe (CDU), Dobrindt und Andrea Nahles (SPD). Gibt es größere Probleme, dürften die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) versuchen, sie zu klären.

Ziel ist eine Vereidigung der neuen Bundesregierung vor Weihnachten. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sagte mit Blick auf Zeitplan und Einigungschancen: „Beide Seiten haben ernsthaft ein Interesse daran.“ Dies werde aber mit Sicherheit ein „anstrengender Prozess“. CDU-Vize Julia Klöckner erwartete schnelle Fortschritte: „Wir sind erwachsene Menschen.“ Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) sagte indes: „Das wird nicht ganz fix gehen. Aber über allem steht, dass es eine Einigung gibt.“

Wichtigste SPD-Bedingung ist ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro deutschlandweit. Die Union hält diese Untergrenze vor allem für den Osten für zu hoch und befürchtet den Verlust von Arbeitsplätzen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte aber den „Stuttgarter Nachrichten“: „Im Koalitionsvertrag wird ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro stehen.“ Es gebe keinen Grund, „unterschiedliche Löhne zwischen Ost und West festzusetzen, denn die Arbeitsleistung ist ja auch gleich“.

Nahles wollte Steuererhöhungen nicht ausschließen. „Natürlich gibt es auch beim Thema Finanzen weiterhin keine Klärung, weil ich immer noch nicht weiß, wie man ohne Steuererhöhungen all das finanzieren soll“, sagte sie in der ARD. Zu den kniffeligen Punkten zählte Nahles die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht sowie die Rentenpolitik. Die SPD wolle eine abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren und die Union die Mütterrente einführen.

Über die außergewöhnlich große Runde - bei den Gesprächen über die große Koalition von 2005 bis 2009 waren es nur 32 Unterhändler - sagte Nahles: „Das ist jetzt zwar groß, aber dafür umso stabiler und tragfähiger hinterher.“ Bei der SPD sollen am Ende die 470 000 Mitglieder abstimmen, ob ihnen die Ergebnisse für die Bildung einer großen Koalition ausreichen. Deswegen ist es für die SPD-Spitze wichtig, die Partei in den kommenden Wochen breit einzubinden.

Dobrindt sagte mit Blick auf die von seiner Partei geforderte Pkw-Maut für ausländische Wagen: „Wenn wir uns im Grundsatz darüber einig sind, dass zur Finanzierung der Infrastruktur in Deutschland auch die ausländischen Autofahrer herangezogen werden sollen, dann ist schon mal sehr viel erreicht. Diesen Grundsatz könnte man wahrscheinlich relativ bald jetzt gemeinsam mit der SPD festlegen.“

Der SPD-Verhandlungsführer für Verkehr, Florian Pronold, sagte der Nachrichtenagentur dpa über eine Pkw-Maut: „Es gibt da keine Einigung.“ Er ergänzte: „Mit der SPD wird es keine Belastung deutscher Autofahrer geben.“ Eine Pkw-Maut nur für Ausländer sei mit EU-Recht nicht vereinbar. „Focus online“ hatte berichtet, Union und SPD hätten sich in den bisherigen Sondierungen auf ein Maut-Modell verständigt, bei dem deutsche Fahrer nach Überweisung der Kfz-Steuer eine Vignette bekommen könnten, Ausländer dafür aber zahlen sollten.

Nach einer INSA-Umfrage für die „Bild“-Zeitung (Donnerstag) würden 62 Prozent der Deutschen die Einführung einer Pkw-Maut begrüßen. 33 Prozent lehnen die Maut ab.