Merkel kann auf vier weitere Jahre hoffen
Berlin (dpa) - Deutschland hat die Wahl: 61,8 Millionen Bundesbürger entscheiden an diesem Sonntag, wer in Berlin künftig regiert. Nach allen Umfragen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gute Aussichten, vier weitere Jahre im Amt zu bleiben - mit welchem Partner ist allerdings völlig ungewiss.
Die amtierende Koalition aus Union und FDP steht nach den letzten Zahlen sehr auf der Kippe. Möglich wäre auch die Neuauflage einer großen Koalition oder erstmals Schwarz-Grün. Ein rot-rot-grünes Bündnis schließt die SPD aus.
Nach den jüngsten Umfragen gibt es zwischen dem aktuellen Regierungslager und der jetzigen Opposition im Bundestag praktisch ein Patt oder ein minimales Plus für Schwarz-Gelb. Das Allensbach-Institut ermittelte im Auftrag der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstag) 39,5 Prozent für die Union und 5,5 Prozent für die FDP - zusammen 45 Prozent. Die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück liegt demnach bei 27, Grüne und Linke jeweils bei 9 - also ebenfalls 45 Prozent.
Für die „Bild am Sonntag“ ermittelte Emnid einen Punkt Vorsprung für Schwarz-Gelb vor den Oppositionsparteien. Demnach kommen CDU/CSU auf 39 Prozent (unverändert im Vergleich zur Vorwoche) und die FDP auf 6 Prozent (plus 1). Die SPD erreicht demnach unverändert 26 Prozent, die Grünen verlieren einen Punkt auf 9 Prozent, die Linke bleibt bei 9 Prozent. Unverändert 4 Prozent wurden für die europakritische Alternative für Deutschland (AfD) ermittelt. Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner sagte: „Der denkbar knappe Vorsprung von Schwarz-Gelb ist geringer als die statistische Fehlertoleranz der Umfrage.“
Das letzte ZDF-„Politbarometer“ vor der Wahl sowie eine RTL-Umfrage kommen auf sehr ähnliche Zahlen. Beide sehen die Union bei 40 Prozent, die FDP bei 5,5 beziehungsweise genau 5 Prozent. Die SPD kann laut „Politbarometer“ auf 27 (RTL: 26) Prozent hoffen, die Grünen auf 9 (9) und die Linke auf 8,5 (9) Prozent. Die Alternative für Deutschland (AfD) würde mit 4 oder 4,5 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Alle Beteiligten weisen jedoch darauf hin, dass solche Zahlen keineswegs das Wahlergebnis vorwegnehmen. Immer noch sind Abweichungen von mehreren Prozentpunkten nach oben und unten möglich, was die Gewichte völlig verschieben kann. Zudem sind viel mehr Deutsche als bei früheren Bundestagswahlen noch nicht festgelegt.
Die Parteien machen deshalb Wahlkampf bis zur letzten Minute. Auch Merkel und Steinbrück haben für Samstag nochmals mehrere Veranstaltungen geplant. Jetzt wird vor allem um die sogenannte Zweitstimme gebuhlt, die die Wahl letztlich entscheidet. Insbesondere die FDP setzt darauf, dass Merkel-Anhänger für sie stimmen, damit sie im Bundestag bleibt und Schwarz-Gelb weitermachen kann.
Die Union will das Bündnis mit der FDP ebenfalls fortsetzen, wehrt sich aber gegen die Zweitstimmenkampagne des bisherigen Partners. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer mahnte die FDP in der „Welt“, „sich nicht gegenseitig die Stimmen streitig zu machen“. Merkel bat ebenfalls mehrfach um beide Stimmen für die Union.
In der FDP nimmt vor der Wahl der Druck auf den Spitzenkandidaten Rainer Brüderle und Parteichef Philipp Rösler zu. In mehreren Landesverbänden gibt es Überlegungen, das Spitzenduo für ein schlechtes Ergebnis verantwortlich zu machen, erfuhr die Nachrichtenagentur dpa aus Parteikreisen.
SPD und Grüne streben - wie zwischen 1998 und 2005 - offiziell weiterhin ein rot-grünes Bündnis an, obwohl dies die Umfragezahlen nicht hergeben. Bei den Sozialdemokraten laufen aber auch schon Planspiele für eine neue große Koalition. Ihr Kanzlerkandidat Steinbrück hat mehrfach deutlich gemacht, dass er selbst dafür nicht zur Verfügung steht. Zudem schloss Steinbrück eine rot-rot-grüne Koalition für die gesamte nächste Legislaturperiode bis 2017 im „Tagesspiegel“ (Samstag) kategorisch aus.
Trotz schlechter Umfragewerte nannte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin ein besseres Ergebnis als bei der Bundestagswahl 2009 als Wahlziel. „Im Vergleich zu 2009 wollen wir zulegen“, sagte Trittin „Zeit Online“. Damals holten die Grünen 10,7 Prozent.
Insgesamt gehen für den 18. Deutschen Bundestag 34 Parteien mit annähernd 4500 Kandidaten ins Rennen. Sicher ist, dass Union (2009: 33,8 Prozent), SPD (23), Linkspartei (11,9) und Grüne (10,7) wieder ins Parlament kommen. Die FDP, die vor vier Jahren ein Rekordergebnis von 14,6 Prozent holte, muss zittern. Entscheidend könnte sein, ob es die AfD auf Anhieb ins Parlament schafft. Die Piraten haben trotz Erfolgen bei Landtagswahlen kaum Chancen.
Die Wahllokale öffnen am Sonntag um 08.00 Uhr. Die ersten Prognosen der großen Fernsehsender gibt es dann mit Ende der Stimmabgabe um 18.00 Uhr, gefolgt von den Hochrechnungen. Das vorläufige amtliche Endergebnis wird in der Nacht erwartet. Mit Interesse wird erwartet, ob die Wahlbeteiligung weiter sinkt. 2009 lag sie bei 70,8 Prozent. Die beiden Altkanzler Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) riefen am Freitag dazu auf, vom Wahlrecht auf jeden Fall Gebrauch zu machen.
Der neue Bundestag mit seinen mindestens 598 Abgeordneten trifft sich spätestens am 22. Oktober zum ersten Mal. Bis dahin ist die schwarz-gelbe Bundesregierung auf jeden Fall noch im Amt.