Merkel reist ohne neue Hilfen nach Athen
Berlin/Athen/Luxemburg (dpa) - Vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Athen hat die Bundesregierung die Hoffnungen Griechenlands auf rasche Zugeständnisse beim Spar- und Reformprogramm gedämpft.
Von Merkel seien bei ihrem Besuch keine „Mitbringsel“ zu erwarten, hieß es in Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Montag, Grundlage für alle Entscheidungen sei der noch ausstehende Bericht der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF).
Das Projekt ESM wurde in Luxemburg offiziell gestartet: Die 17 Euro-Länder spannten dort den dauerhaften Rettungsschirm. Er ermöglicht Notkredite von 500 Milliarden Euro unter strengen Auflagen. Deutschland haftet mit 190 Milliarden Euro. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker sagte: „Das ist eine gute Nachricht für Europa.“ Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ergänzte: „Es zeigt, dass wir Schritt vor Schritt vorankommen.“ Seibert sprach von einem „guten Tag für Europa“.
Merkel reist erstmals seit Ausbruch der Euro-Schuldenkrise zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Griechenland. Die linke Opposition und Gewerkschaften wollen Gegner des Sparprogramms zu Protesten mobilisieren. Tausende Polizisten sollen für Sicherheit sorgen. Nach einem unbestätigten Bericht der „Bild“-Zeitung reist die Kanzlerin mit mehr Personenschützern als üblich nach Athen.
Die seit Anfang Juni amtierende Athener Regierung unter Antonis Samaras hofft auf finanzielle Erleichterungen und Zugeständnisse der internationalen Geldgeber. Ohne Zustimmung der Troika, deren Bericht inzwischen spätestens November erwartet wird, kann Griechenland nicht mit dem neuen Kredit in Höhe von 31 Milliarden Euro rechnen.
Mit ihrem Besuch greife die Kanzlerin in keiner Weise dem Troika-Bericht vor, betonte Seibert: „Sie reist nach Griechenland, um der griechischen Regierung ihre Unterstützung für den anspruchsvollen Reformkurs, den sie sich vorgenommen hat und zum Teil begonnen hat umzusetzen, auszudrücken.“ Dies sei „ein Teil der engen Zusammenarbeit, die wir mit der Regierung Samaras haben“. Deutschland wolle Griechenland helfen, sich in der Euro-Zone zu stabilisieren.
Vor ihrem Athen-Besuch verwies Merkel auf Erfolge in der Bekämpfung der Euro-Schuldenkrise. Zum Start einer Serie von insgesamt sechs Regionalkonferenzen der Bundes-CDU verwies sie in Düsseldorf auf den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM. Solidarität mit strauchelnden Ländern sei gewährleistet. Sie wisse aber um die unverändert große Sorge vieler Bürger um eine stabile Währung.
In Athen werde sie „in aller Freundschaft über das sprechen, was noch zu leisten ist“, kündigte Merkel an. Strenge Regeln in Europa seien unverzichtbar. Mittelmaß reiche nicht aus und „der Langsamste in Europa“ könne nicht das Tempo bestimmen.
Neben Gesprächen mit Samaras ist auch ein Treffen Merkels mit dem griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias geplant. Zudem stehen Gespräche mit griechischen und deutschen Unternehmern auf dem Programm. Treffen mit Gewerkschaften sind nicht vorgesehen. Der Chef der Linken, Bernd Riexinger, nimmt in Athen an den Protesten teil, bestätigte ein Parteisprecher. Riexinger will auch den Vorsitzenden des linksradikalen Syriza-Bündnisses, Alexis Tsipras, treffen.
Schäuble warnte vor überhöhten Erwartungen an den Griechenland-Besuch. „Die Bundeskanzlerin ist nicht die Troika“, sagte Schäuble in Luxemburg. Vor der nächsten Hilfszahlung an Athen müsse erst deren Bericht der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) vorliegen. Im RBB-Inforadio erklärte er, irgendwann müsse Griechenland auf eigenen Beinen stehen, es dürfe kein Fass ohne Boden sein.
Das zweite Hilfsprogramm für Athen von 130 Milliarden Euro läuft bis Ende 2014. Bereits 2015 soll das Land nach bisherigen Plänen wieder selbst Kredite besorgen und an den Kapitalmarkt zurückkehren. Das wird stark angezweifelt, weshalb bereits seit längerem über ein drittes Programm spekuliert wird. Ziel ist es bisher auch, dass Griechenland seinen Schuldenstand bis zum Jahr 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung drückt. Auch dies gilt als fraglich.
SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider verwies darauf, dass für das 120-Prozent-Ziel ein Bruttofinanzierungsbedarf nach Ende des Hilfsprogramms von rund 78 Milliarden Euro bestehe. Dies müsste dann von Geldgebern am Kapitalmarkt gedeckt werden. Schneider warf Merkel vor, Deutschland erpressbar gemacht zu haben. Banken seien als Gläubiger herausgekauft worden. Inzwischen gehöre Deutschland zu den Hauptgläubigern: „Die Bundeskanzlerin hat zwar erklärt, Griechenland im Euro halten zu wollen, aber einen Plan dafür hat sie nicht.“
Nach Ansicht von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) geht es bei dem Athen-Besuch der Kanzlerin nicht um Zugeständnisse beim Reformkurs des verschuldeten Euro-Partners: „Der Besuch dient nicht dazu, den Griechen Geschenke mitzubringen.“