Landtagswahl Merkel will an Flüchtlingspolitik festhalten
Berlin/Hangzhou (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel will nach dem Wahldebakel ihrer CDU im Nordosten verstärkt persönlich um Vertrauen werben, aber Kurs bei ihrer umstrittenen Flüchtlingspolitik halten.
Am Rande des G20-Gipfels im chinesischen Hangzhou übernahm die CDU-Vorsitzende die Verantwortung für den Absturz ihrer Partei auf unter 20 Prozent und Platz drei hinter der AfD. Alle müssten darüber nachdenken, „wie können wir jetzt das Vertrauen wieder zurückgewinnen - und vorneweg natürlich ich“, sagte Merkel.
„Ich bin Parteivorsitzende, ich bin Bundeskanzlerin. Und in den Augen der Menschen kann man das nicht trennen. Und deshalb bin ich natürlich auch verantwortlich“, sagte sie. Klar sei, dass die schwere Niederlage vom Sonntag „was mit der Flüchtlingspolitik zu tun“ habe. Sie halte „dennoch die Entscheidungen, so wie sie getroffen wurden, für richtig“, denn die Bundesregierung habe voriges Jahr mit einer liberalen Flüchtlingspolitik ihrer Verantwortung entsprochen. „Wir müssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass viele Menschen im Augenblick nicht das ausreichende Vertrauen in die Lösungskompetenz für diese Themen haben, obwohl wir schon sehr viel geschafft haben“, so Merkel.
Zuvor hatte CDU-Generalsekretär Peter Tauber um Geduld bei der Umsetzung der Flüchtlingspolitik Merkels geworben. „Es braucht Zeit, bis all diese Maßnahmen wirken.“ Es sei falsch, wenn der SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel nun den Eindruck erwecke, „dass wir auch in der großen Koalition in Berlin zu wenig für die Menschen in unserem Land getan haben“, sagte Tauber in Berlin.
Gabriel wies Kritik der Union zurück, seine Partei habe in der Flüchtlingspolitik keine klare Linie. Die SPD sage seit anderthalb Jahren in der Debatte immer das Gleiche: „Ja, wir können das schaffen, aber dafür muss man Voraussetzungen schaffen.“ Nötig seien genug Geld für Sprachförderung, Integrationskurse, den Arbeitsmarkt und ein „Solidarpaket“ für die gesamte Bevölkerung. Neben Gabriel hatte sich im Wahlkampf auch Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Regierungschef Erwin Sellering von Merkels Kurs abgegrenzt.
Die Rechtspopulisten sehen sich nach ihrem jüngsten Wahlerfolg und dem Einzug in nunmehr neun Landesparlamente als Regierungspartei von morgen. „Idealerweise wird das schon bei der Bundestagswahl sein“, sagte AfD-Chef Jörg Meuthen. „Sie sehen ja, was sich in einem Jahr tun kann“, fügte er mit Blick auf das Umfragetief seiner Partei im Sommer 2015 hinzu. Die AfD war seinerzeit nach ihrem Essener Parteitag in der Wählergunst bundesweit unter 5 Prozent gerutscht.
Frauke Petry, die sich den Parteivorsitz mit Meuthen teilt, warf der CDU vor, sie sei unfähig zur Selbstkritik. Dass führende CDU-Politiker nun sagten, ihre Partei habe inhaltlich keine Fehler gemacht, sondern ihre Politik womöglich nur falsch erklärt, sei ein Beweis für die „fortgesetzte Arroganz der Macht“. Parteivize Alexander Gauland sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich glaube, dass wir, wenn das so weitergeht, die CDU als Partei der bürgerlichen Mitte ablösen werden.“ Die CDU sei heute nur noch „ein Parteimantel, der um die Kanzlerin gelegt ist“.
Die CDU musste ausgerechnet in der politischen Heimat der Kanzlerin erstmals in einem Bundesland die rechtspopulistische AfD an sich vorbeiziehen lassen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis siegte Sellerings SPD mit 30,6 Prozent und kann auch künftig in Schwerin den Ministerpräsidenten stellen - wie in den vergangenen zehn Jahren in einer Koalition mit der CDU oder aber in einem rot-roten Bündnis. Zweitstärkste Kraft wurde die AfD mit 20,8 Prozent, die CDU kam auf 19,0 Prozent, die Linke auf 13,2 Prozent.
Ministerpräsident Sellering will nun Gespräche mit beiden zur Verfügung stehenden Parteien aufnehmen. Er werde „selbstverständlich“ auch mit der Linken „ernsthafte Verhandlungen“ führen, sagte er am Montag in Berlin. „Wir haben jetzt zehn Jahre gut mit der CDU regiert, davor acht Jahre gut mit der Linken. Ich glaube, es wäre niemandem im Land vermittelbar zu sagen: Einer dieser Partner scheidet von vorneherein aus.“
Linke-Spitzenkandidat Helmut Holter zeigte sich grundsätzlich regierungsbereit, betonte aber: „Die Linke wird zum Nulltarif nicht zu haben sein.“
Der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich entsetzt über den AfD-Erfolg. Zentralratspräsident Josef Schuster sagte in Berlin: „Offenbar ist vielen Wählern nicht klar oder sie nehmen es billigend in Kauf, dass sich die AfD weder in Mecklenburg-Vorpommern noch bundesweit klar vom rechtsextremen Spektrum abgrenzt.“