„Nato-Spione“: Separatisten präsentieren OSZE-Beobachter wie Trophäen
Slawjansk (dpa) - Wie Trophäen präsentieren die prorussischen Separatisten in der Ostukraine der Weltpresse die festgesetzten OSZE-Beobachter, darunter auch vier Deutsche.
Sie seien Gäste der bewaffneten Aktivisten, allen im Team gehe es gut, sagt einer der vorgeführten Männer mit tonloser Stimme. Er stellt sich als Oberst der Bundeswehr vor. Ob er dies freiwillig sagt, und ob dies überhaupt stimmt, ist nicht festzustellen.
Seit Freitag ist die internationale Gruppe in der Hand der Protestführer. Auch am Sonntag laufen intensive Gespräche über die Freilassung der wohl 13 Männer.
Selbstzufrieden räkelt sich Separatistenführer Wjatscheslaw Ponomarjow zwischen den Gefangenen in dem holzvertäfelten Saal von Slawjansk, wie Aufnahmen des russischen Staatsfernsehens zeigen. Noch vor kurzem war er auch vielen Ukrainern völlig unbekannt.
Nun besteht der selbst ernannte Bürgermeister der Provinzstadt genüsslich darauf, dass vor allem er darüber entscheidet, ob die „Nato-Spione“ freigelassen werden. Mit den fünf Ukrainern im OSZE-Team wolle er inhaftierte Gleichgesinnte freipressen, sagt Ponomarjow. Die prowestliche Führung in Kiew bezeichnet er verächtlich als „Junta“.
Es ist ein bizarres Bild: Neun Männer sitzen an einem langen, lackierten Tisch, hinter ihnen Topfpflanzen und eine Fahne mit weißer Friedenstaube auf hellblauem Grund. Maskierte Männer in Tarnuniformen und mit Sturmgewehren überwachen die Szenerie. Kurz zuvor hatten die Separatisten im Überschwang des Triumphs drei festgesetzte Agenten des ukrainischen Geheimdienstes SBU, geknebelt und in Unterhosen, dem russischen Staatsfernsehen präsentiert.
Fast fühlen sich Beobachter an die Geiselnahme von Gladbeck 1988 erinnert, als Kriminelle ein Podium in nicht gekannter Form erhielten. Der ukrainische Politiker Vitali Klitschko nennt Ponomarjow offen einen „Terroristen“. „Nur Terroristen können Geiseln nehmen“, sagt der frühere Box-Weltmeister der „Bild am Sonntag“.
Das OSZE-Team war nach eigenen Aussagen unbewaffnet im krisengeschüttelten Osten der Ex-Sowjetrepublik unterwegs, um die Lage zu sondieren. Bei ihrer Festsetzung hätten sie „gelogen und verdächtige Dokumente“ bei sich getragen, behaupten die Separatisten.
Mit der Präsentation der „Gefangenen“ wollten die Aktivisten den Westen bloßstellen, meint die Moskauer Politologin Lilija Schewzowa. Doch auch für ihre „Schutzmacht Russland“ komme die Festsetzung zur Unzeit. Der Kreml bezeichne die Demonstranten seit Monaten als Freiheitskämpfer, da passe eine solche „Geiselnahme“ schlecht ins Bild, sagt Schewzowa dem Radiosender Echo Moskwy.
Das russische Außenministerium verurteilt die Festsetzung am Wochenende zwar, gibt der ukrainischen Führung aber eine Mitschuld. Kiew habe die Gruppe „schutzlos in ein Krisengebiet“ geschickt.
Bundespräsident Joachim Gauck fordert die Handelnden in Russland und in der Ukraine am Sonntag auf, die OSZE-Beobachter freizulassen. „Ich appelliere an alle Verantwortlichen dort, Vernunft walten zu lassen“, sagt er im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Zuvor hatte bereits Außenminister Frank-Walter Steinmeier deutliche Worte für die Krise in der Ukraine gefunden: „Dieser Irrsinn muss bald ein Ende haben.“