Porträt: Angela die Große
Berlin (dpa) - Bestzeit. Bestes persönliches Ergebnis in ihrem Wahlkreis, größter Unionssieg seit der Wiedervereinigung, dritte Kanzlerschaft so gut wie sicher. Eine bessere Zeit kann es für Angela Merkel kaum geben.
„Was mein Wohlbefinden anbelangt, so ist es sehr, sehr gut. Ich bin auch wohl aufgewacht“, sagt sie am Tag nach der Wahl. Es war eine kurze Nacht, dennoch sieht Merkel ausgeschlafen aus. Sie steht im Zenit der Macht. Das bedeutet aber: Ihr Triumph bei der Bundestagswahl 2013 ist sehr wahrscheinlich auch der Scheitelpunkt. So paradox es klingt: Merkel will nun nicht nur eine neue Regierung bilden, das Land weiter regieren und den Euro weiter retten - sie muss auch über das Ende der Ära Merkel nachdenken.
Die 59-Jährige macht Politik anders als viele Männer. Sie ist nicht weniger hart in ihren Entscheidungen und sie ist mindestens so machtbewusst, wie Männer es oft sind. Aber sie haut nicht so auf den Putz, sie vermittelt mehr, als dass sie die Richtung vorgibt. Sie ist zäh, beherrscht, taktisch und pragmatisch. Sie zeigt erst dann klare Kante, wenn ihr jemand auf der Nase herumtanzt. Dann ist sie eiskalt. Sie lässt sich die Macht nicht streitig machen.
Als Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in der gemeinsamen Pressekonferenz am Montag gefragt wird, ob er nach seinem Sieg bei der Landtagswahl vom Sonntag die neue starke Figur in der CDU sei, sagt Merkel erst einmal, die Frage sei weder intellektuell noch akustisch zu verstehen gewesen. Und dann: „Ich kann ja mal anfangen. Die CDU ist Volkspartei.“ Merkel behält die Fäden in der Hand.
Einer ihrer großen Vorzüge und ungewöhnlich für einen Politiker in solcher Höhe: Merkel ist nicht eitel. Es wirkt immer so, als ob sie sich nichts darauf einbildet, das wichtigste Amt dieser Republik zu bekleiden. Vielmehr kann man den Eindruck haben, dass sie sich selbst über ihre Karriere wundert. Dass sie die Macht tatsächlich als geliehen begreift. „Das Amt macht mir Spaß“, sagt sie einfach.
Auch wenn niemand den Verlauf der nächsten Wahlperiode und Erfolge oder Misserfolge der Kanzlerin vorhersehen kann - die Frage ist nun, ob Merkel 2017 das Risiko eingehen wird, abgewählt zu werden. Oder ob sie als erste von sich aus das Kanzleramt verlässt. Medienberichte, wonach sie zur Mitte der Amtszeit den Stab übergeben wird, hat Merkel heftig dementiert. Das müsste sie aber auch machen, wenn etwas Wahres daran wäre. Denn wer will eine Kanzlerin, die ans Aufhören denkt?
Merkel wäre dann erst 61 Jahre alt - zu jung für einen Abgang. Es käme vielleicht auf die Alternativen an, die eher internationaler Art sein müssten - in der EU oder bei den Vereinten Nationen. Und die CDU müsste erst einmal einen Nachfolger für Merkel finden, die die erste Frau an der Spitze der Christdemokraten und des Landes wurde. Und die 1999 als damalige CDU-Generalsekretärin die Partei in der Spendenaffäre von Helmut Kohl emanzipierte.
Merkel ist ein Phänomen in der Politik der deutschen Nachkriegsgeschichte. Geboren in Hamburg, Tochter eines Pfarrers, in der DDR aufgewachsen, mit der Wende als Naturwissenschaftlerin in die Politik gekommen, in den Augen vieler CDU-Männer im Jahr 2000 nur als Übergangskandidatin CDU-Chefin geworden. Und nun steht sie in einer Reihe mit den Übervätern der Partei, Konrad Adenauer und Helmut Kohl.
Mit 41,5 Prozent und einer nur knapp verpassten absoluten Mehrheit für die Union besteht kein Zweifel, dass die Bürger jetzt keinen Wechsel wollten. „Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen“, sagt Merkel am Wahlabend. Einer dieser Sätze fern von Großspurigkeit. Trotz aller Probleme auf dem Arbeitsmarkt mit zu schlecht bezahlten Jobs, zu viel und zu langer Leiharbeit - Deutschland geht es insgesamt wirtschaftlich gut. Das schreiben viele Menschen Merkel zu, der sie zutrauen, trotz Euro-Rettung auch das Geld der deutschen Steuerzahler zu retten.
In ihrem Büro im Kanzleramt stellte Merkel 2005 ein Porträt der russischen Zarin Katharina der Großen auf ihren Schreibtisch. „Es wirkt wie die Beschwörung eines leuchtenden Vorbilds in dürftiger Zeit (...) Die sprichwörtliche starke Frau soll sie bei ihrem schweren Beginn als erste deutsche Bundeskanzlerin inspirieren“, schrieb damals die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Für die CDU ist Merkel in diesem Jahr 2013 Angela die Große.
Merkel will diese dritte Kanzlerschaft unbedingt. Mit ihrem Wahlsieg hat sie ihren Ruf als mächtigste Frau der Welt endgültig gefestigt. Kein anderer Regierungschef der großen Länder in der Europäischen Union hat die Finanzkrise so überstanden wie Merkel. Sie wurden abgewählt. Merkel ist gestärkt daraus hervorgegangen.