Rechtsterrorismus: Verfassungsschützer in die Kritik

Berlin (dpa) - Die Mordserie mutmaßlich rechtsterroristischer Gewalttäter bringt die Arbeit des Verfassungsschutzes von Bund und Ländern in die Kritik. Der Vorwurf lautet, die Geheimdienste hätten die Täter über viele Jahre beobachtet, möglicherweise sogar bezahlt, ohne ihre Verbrechen zu verhindern.

Seit wann war das Neonazi-Trio im Fokus der Sicherheitsbehörden?

Seit 1998. Damals hoben Polizeibeamte in Jena eine Bombenwerkstatt in einer Garage aus. Gefunden wurden 1,4 Kilogramm des Sprengstoffs TNT und funktionsfähige Rohrbomben, an denen nur noch der Zünder fehlte. Als Bombenbauer galten zwei Männer und eine Frau, alle drei der Polizei bereits einschlägig bekannt und der rechtsextremen Szene zugeordnet. Die Täter, damals 20, 23 und 24 Jahre alt, konnten jedoch fliehen und spurlos untertauchen.

Bereits nach der Entdeckung des Bombenlabors sprach der damalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, von „einer neuen Gewaltbereitschaft der rechten Szene“. Auch auf Bundesebene ließ der Bombenfund die Alarmglocken läuten: Rechtsextremisten zögen durchaus rechtsterroristische Möglichkeiten in Betracht, sagte 1998 Klaus-Dieter Fritsch, damals Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und heute Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Welche Rolle spielen die V-Leute beim Verfassungsschutz?

Das Führen von Verbindungs-Leuten gehört zum klassischen Repertoire der Ermittlungsbehörden. Diese V-Männer und -Frauen sind oft im kriminellen Milieu verstrickt und haben dort entsprechende Verbindungen. Sie können ihren Kontaktbeamten wertvolle Insidertipps geben. Ob und welche Vergünstigungen diese Spitzel dafür bekommen, wird nur selten offengelegt. Den Tippgebern droht die Rache des Milieus, falls sie enttarnt werden. Deshalb muss die Polizei V-Leute als Zeugen in Strafverfahren nicht unbedingt der Justiz offenbaren. Die oberste Dienstbehörde darf mit einer sogenannten Sperrerklärung Auskünfte über die Identität verhindern, sofern eine Enttarnung den Betroffenen gefährden würde.

Woran ist das NPD-Verbotsverfahren gescheitert?

Am 30. Januar 2001 beantragte die damalige rot-grüne Bundesregierung ein Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht. Bundestag und Bundesrat folgten. Sie begründeten den Antrag mit der Demokratiefeindlichkeit der NPD und deren Verbindungen zur Neonazi-Szene. Im Januar 2002 sagte Karlsruhe Verhandlungstermine mit NPD-Funktionären ab, weil sich eine Auskunftsperson als V-Mann entpuppte. Danach räumten Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag die Existenz weiterer V-Männer ein. Das Verfahren wurde zunächst ausgesetzt und im März 2003 eingestellt. Die Unterwanderung der NPD mit Spitzeln des Verfassungsschutzes sei ein „nicht behebbares Verfahrenshindernis“, hieß es in der Begründung.

Wie funktioniert das Parlamentarische Kontrollgremium?

Das PKG, das am Dienstag zusammentreten soll, kontrolliert den Bundesnachrichtendienst (BND), den Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst (MAD). Die Regierung ist verpflichtet, die Abgeordneten dieses Gremiums umfassend über die Tätigkeit der Geheimdienste zu unterrichten. Dies geschieht zumeist durch den Chef des Kanzleramts, der in dieser Funktion auch Koordinator der Nachrichtendienste ist. Das PKG prüft, ob sich die Dienste an ihren gesetzlichen Auftrag halten. Vor allem wenn Affären oder Skandale zu beleuchten sind, ist das PKG gefragt. Die Sitzungen der neun Mitglieder finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem der fensterlosen und abhörsicheren Konferenzräume des Bundestages statt.