Report: Halleluja für eine Minderheit
Erfurt (dpa) - Die katholischen Hochburgen in Ostdeutschland sind schnell aufgezählt: Das Eichsfeld in Thüringen, die Lausitz in Sachsen und Brandenburg, aber auch Berlin. „Die Katholiken sind in Ostdeutschland in einer extremen Minderheitenposition“, sagt Religionssoziologe Detlef Pollack von der Uni Münster.
Nur vier Prozent der Bevölkerung sind katholisch, im Westen dagegen 40 Prozent. Papst Benedikt XVI. kommt trotzdem. Erstmals steht mit Erfurt ein ostdeutsches Bistum auf seinem Reiseprogramm. Mit 154 000 Mitgliedern ist es nicht groß, aber es kann auf eine durch Bonifatius begründete fast 1300-jährige Geschichte verweisen. Nach der Wiedervereinigung wurde es 1994 zum zweiten Mal gegründet.
„In den ostdeutschen Hochburgen ist das kirchliche Leben noch eher intakt als in großen Teilen Westdeutschlands“, sagt Pollack. Er beobachtet ein intensiveres, lebendiges Gemeindeleben. Während es im Westen sonntags nur noch etwa 13 Prozent der Katholiken in die Kirche zieht, seien es im Osten bis zu 23 Prozent. „Die Minderheitssituation fordert die Katholiken nicht nur heraus, sondern sorgt auch für eine stärkere Bindung an die Gemeinde.“ In der ostdeutschen Diaspora wird sogar für etwa 15 Millionen Euro eine neue Kirche gebaut - gegenüber dem Leipziger Rathaus. Ende 2013 soll das „Hoffnungszeichen des christlichen Glaubens“ fertig sein, so Probst Lothar Vierhock.
Im Eichsfeld, der Landstrich liegt im Dreiländereck zwischen Thüringen, Hessen und Niedersachsen, werden katholische Traditionen und Lebensvorstellungen noch hochgehalten. Tausende beteiligen sich in dieser Region des Bistums Erfurt an Wallfahrten, Kreuze stehen ganz selbstverständlich am Wegesrand und statistisch belegt gibt es weniger Scheidungen und mehr ehelich geborene Kinder, auch wenn ihr Anteil in den letzten 20 Jahren von 90 auf 59 Prozent gesunken ist.
Der katholische Glaube wird nicht versteckt. „Gerade in Thüringen engagieren sich viele Katholiken im öffentlichen Leben. Sie sind Bürgermeister, Abgeordnete oder haben bei der Wende eine Rolle gespielt“, sagt Pollack. Ähnlich sieht das der CDU-Landrat des Eichsfelds, Werner Henning: „Die Volkskirche ist im Eichsfeld viel stärker als anderswo - hier muss man bei keinem Politiker anmahnen, dass die zehn Gebote gelten.“ Die 74-jährige Christel Kinzel, Organistin in Steinbach, betont das Gemeinschaftsgefühl. „Der Glaube ist für uns etwas Besonderes, er hält die Menschen zusammen.“
Die enge Bindung an die katholische Kirche habe auch negative Seiten, sagt der Religionssoziologe Pollack. Sie erzeuge sozialen Druck; Menschen mit abweichenden Anschauungen und Verhaltensweisen hätten es gerade in ländlichen Gebieten schwer. Liberaler gehe es in den größeren Städten zu, in denen die katholische Kirche inzwischen auch Angebote für Konfessionslose macht, die etwa zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen. In Erfurt können sich ungetaufte Jugendliche an einer „Feier der Lebenswende“ beteiligen.
Insgesamt sind auch die ostdeutschen Enklaven von der Kirchenkrise betroffen, findet Pollack. Weil Priester fehlen und die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt, müssen Gemeinden zusammengelegt werden. Für den gesamten Landkreis Nordhausen nördlich des Eichsfelds steht beispielsweise nur noch ein katholischer Priester zur Verfügung. „Es gibt insgesamt einen Prozess der Entkirchlichung“, sagt Pollack. In einigen Regionen sei er aber zumindest abgeschwächt. Erfurts Bischof Joachim Wanke spricht von einer Kirche im Umbruch. „Das kirchlich Gewohnte trägt nicht mehr so wie früher.“
Selbst die Eichsfelder, für die der Papst extra einen Abstecher nach Etzelsbach macht, sind nicht mehr ganz so geerdet wie vor dem Mauerfall, findet Franz-Xaver Stubenitzky, Pfarrer von Steinbach. „Die Zeit geht nicht an uns vorbei.“