Report: Tod am Badestrand

Tunis (dpa) - Gary Pine (47) liegt mit seiner Frau am Strand des „El Mouradi Palm Marina“. Die Stimmung in dem tunesischen Strandhotel, das neben dem „Imperial Marhaba Hotel“ liegt, ist so friedlich, dass Pine, als er in etwa 100 Metern Entfernung die ersten Schüsse hört, erst glaubt, Urlauber hätten Feuerwerkskörper gezündet.

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Dann bricht Panik aus. Dutzende von Urlaubern rennen vom Strand ins Hotel. „Mein 22 Jahre alter Sohn war noch im Wasser, meine Frau und ich riefen ihm zu, er solle schnell das Meer verlassen und mit uns ins Hotelgebäude kommen“, erzählt Pine später in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Als mein Sohn schließlich bei uns war, sagte er, er habe gerade mitangesehen, wie ein Mensch auf dem Strand erschossen wurde.“

Als die Sicherheitskräfte im Nachbarhotel eintreffen, wo der junge Terrorist einen Urlauber nach dem anderen erschießt, flüchten sich auch mehrere Touristen aus Deutschland in Pines Hotel. Sie rufen auf Deutsch: „Polizei, Polizei!“

Ängstlich und unsicher stehen die Touristen um die Rezeption herum. Hotelmitarbeiter warnen sie davor, in die Nähe des Strandes zu gehen, wo Leichen in Badekleidung unter Sonnenschirmen aus Stroh liegen. Die Leichen der Opfer werden aus Pietätsgründen zugedeckt.

Der dünne junge Mann, der sie erschossen hat, ist ein tunesischer Student mit vollem Haar. Seine Leiche bleibt zunächst unbedeckt auf der Straße liegen.

Der Schütze sei bisher nicht mit Kontakten zu Terrorgruppen aufgefallen, melden lokale Medien. Doch das will nichts heißen. Auch viele der Tausenden von Tunesier, die sich in Syrien und im Irak der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und anderen islamistischen Gruppen angeschlossen haben, waren vor ihrer Ausreise nicht auffällig geworden.

Für Tunesien, das Hoffnungsland des „Arabischen Frühlings“ ist diese Terrorattacke ein Alptraum. Denn das nordafrikanische Land ist stark vom Tourismus abhängig. Die Zahl der jungen Arbeitslosen ist hoch. Aus ihren Reihen hat der IS schon viele Kämpfer rekrutiert.

Der tunesische Präsident, Beji Caid Essebsi, muss jetzt Handlungsfähigkeit demonstrieren. Er, der sich im Wahlkampf als Gegenmodell zum Islamismus präsentiert hatte, reagiert prompt. Kurz nachdem das Blutbad am Strand zu Ende ist, trifft er am Tatort ein. Er sagt, er wolle den Regierungschef anweisen, über ein Verbot von Parteien nachzudenken, „die das schwarze Banner (der islamistischen Terrorgruppen)“ benutzen. Damit ist die tunesische Tahrir-Partei gemeint. Vertreter der islamistischen Partei hatten kürzlich vor einer Gruppe von Anhängern die Gründung eines „islamischen Kalifats“ in Nordafrika gefordert.