„Tod für die Geschäfte im Bahnhof“ - Streik trifft Handel

Köln (dpa) - Zum Glück gibt es Günther. Ohne Stammkunden wie ihn würde sich Pietro Leone sehr einsam hinter seinem Tresen fühlen. Leone arbeitet in einer Espressobar im Kölner Hauptbahnhof.

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An Streiktagen wie diesen bediene er zwei Drittel weniger Kunden, berichtet der 28-Jährige. Den Hauptumsatz mache die Bar mit Pendlern, die einen Kaffee zum Mitnehmen kaufen. „Da freu' ich mich umso mehr über Gäste wie Günther“, sagt Leone.

Günther Zumkihr (82) sitzt am Tresen der kleinen Bar und rührt Zucker in seinen Kaffee. „Ich sitze seit 15 Jahren jeden Tag hier für ein Stündchen und plaudere mit Reisenden“, erzählt er. Doch heute fehlen ihm die Gesprächspartner - denn es kommen nur wenige.

Dafür hat Barista Leone mehr Zeit für seinen Stammkunden. Und das, obwohl er wegen des Streiks allein in der Bar arbeitet. „Normalerweise sind wir zu zweit hier, aber das lohnt sich einfach nicht.“

Das Geschenkartikel-Geschäft schräg gegenüber hat ebenfalls sein Personal reduziert. „Für uns hat das Weihnachtsgeschäft begonnen, weshalb wir die Öffnungszeiten ausgedehnt haben. Der Streik kommt uns total in die Quere“, sagt der stellvertretende Filialleiter Marco Heller. Der Freitag sei gewöhnlich der stärkste Tag der Woche. Davon ist um die Mittagszeit nichts zu spüren. Nur eine Handvoll Kunden ist im Laden.

In der Bahnhofs-Buchhandlung sind die Mitarbeiter in der Überzahl. „Uns trifft der Streik sehr hart, weil wir auf die Pendler angewiesen sind“, erklärt eine Verkäuferin. „Die Leute stranden aber nicht am Bahnhof, weil sie umplanen. So bleiben wir auf unserer Ware sitzen“, klagt sie. „Die Verluste vom letzten Streik haben wir bis jetzt noch nicht wieder reingeholt.“

Massive Einbußen verzeichnet auch Carmen Koch, Filialleiterin eines Koffer- und Taschengeschäfts: „An einem durchschnittlichen Tag haben wir 100 zahlende Kunden. Gestern waren es 46.“ Die 62-Jährige arbeitet seit 47 Jahren als Einzelhandelskauffrau, „aber solche Umsatzeinbrüche habe ich noch nicht erlebt“.

Besonders schlimm sei ein Streik-Samstag - „das ist der Tod für die Geschäfte im Bahnhof“. Die Lokführer hätten zwar das Recht zu streiken. „Aber unser Arbeitsplatz hängt auch davon ab“, sagt Koch.

Leone äußert Verständnis für den Streik: „Ich kenne einige Lokführer. Die machen viele Überstunden und können von ihrem Lohn kaum ihre Familie ernähren.“ Der Barista ärgert sich mehr über die Deutsche Bahn. So sei die Gastronomie im Bahnhof vertraglich verpflichtet, bis 22.00 Uhr geöffnet zu haben. „Das lohnt sich momentan überhaupt nicht.“

Als zwei Bahnmitarbeiter mit einem Rollwagen an der Bar vorbei gehen und kostenlos Kaffee an die Reisenden verteilen, wird Leone sauer: „Das ist respektlos!“ Zum Glück bestellt zumindest Günther bei ihm noch einen Cappuccino.