„Hart“ und „zäh“ Warum Merkel mächtigste Frau der Welt wurde

Berlin (dpa) - Das Interview ist bald 20 Jahre alt und dennoch haben es viele in Erinnerung. Denn Angela Merkel sprach damals im Gegensatz zu heute noch ganz offen über innerste Ansichten.

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So sagte sie 1998 der Fotografin Herlinde Koelbl für deren Band „Spuren der Macht“: „Ich möchte irgendwann den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik finden. Dann will ich kein halbtotes Wrack sein.“

Kein halbtotes Wrack. Noch zeigt Merkel keine Ermüdungserscheinungen. Am Sonntag kündigte sie erst im CDU-Präsidium und dann im CDU-Vorstand ihre erneute Kandidatur für den Parteivorsitz und das Kanzleramt an. Sie habe „Stunden über Stunden darüber nachgedacht“, sagt sie vor der CDU-Spitze, wie ein Teilnehmer berichtet. Deutschland und die CDU hätten ihr viel gegeben. Das wolle sie zurückgeben - „auch in einem nicht einfachen Wahlkampf“.

Merkel ist nun mehr als 16 Jahre CDU-Vorsitzende und an diesem Dienstag genau elf Jahre Bundeskanzlerin. Sie ist länger als der CDU-Mitbegründer Konrad Adenauer Parteivorsitzende. Den Rekord hält Helmut Kohl, der die CDU 25 Jahre führte und 16 Jahre Kanzler war.

Merkel ist ein Phänomen in der Politik der Nachkriegsgeschichte. Geboren in Hamburg, Tochter eines Pfarrers, in der DDR aufgewachsen, mit der Wende als Naturwissenschaftlerin in die Politik gekommen. Erst war sie Frauen-, dann Umweltministerin unter ihrem politischen Ziehvater Helmut Kohl. 1999 distanzierte sie sich als CDU-Generalsekretärin in der Spendenaffäre von ihm und forderte die Partei auf, sich von ihrem Übervater zu emanzipieren. Es war eine ihrer mutigsten und einschneidendsten Entscheidungen.

2000 übernahm sie als erste Frau den Vorsitz der CDU. 2005 wurde sie als erste Frau Bundeskanzlerin. Und als Jüngste. Deutschland steht heute im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wirtschaftlich gut da. Merkel überstand die internationale Finanzkrise, die Euro-Krise, die Griechenland-Krise. Sie hat die CDU weit in die politische Mitte gerückt: Atomausstieg, Ende der Wehrpflicht, modernes Familienbild. Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge in Deutschland 2015.

Stärken und Schwächen der 62-Jährigen:

AUSDAUER: Merkel schreibt sich selbst „kamelartige Fähigkeiten“ zu: Reserven anlegen, dosiert einsetzen. Krank ist sie selten - wenn doch, erfährt man es in der Regel nicht. Man muss wohl Nerven aus Stahl haben, um Kanzleramt und Parteivorsitz zu meistern. US-Präsident Barack Obama sagt, Merkel sei „hart“, „tough“ und „zäh“.

GEDULD: Merkel kann zuhören - und abwarten. Selten reagiert sie im Affekt. Reißt ihr aber die Hutschnur, ist Feierabend. Wie bei der Entscheidung für Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine- Konflikts oder der Entlassung von Norbert Röttgen aus ihrem Kabinett.

IDEOLOGIEFREI: Merkel zeigt sich erst einmal für alles offen und denkt nicht in Grenzen - auch nicht in denen ihrer Partei. Das führt zu Konflikten mit der Schwesterpartei CSU und auch mit der CDU-Basis.

UNEITEL: Anhänger wie Gegner schätzen Merkels Bodenhaftung, ihre unaufgeregte Art. Keine Skandale, keine Eskapaden. Sie ist unprätentiös und gilt als unbestechlich. Geld interessiert sie nicht so sehr. Sie verdiene genug, hat sie einmal gesagt. Auf etwa 300 000 Euro wird das Jahresgehalt geschätzt, das die Regierungschefin für ihre Verantwortung für rund 80 Millionen Menschen bekommt. Ein Bruchteil der Summen von Firmenbossen mit einigen Tausend Beschäftigten. Ihr Lohn sei die Macht, soll Merkel einmal gesagt haben. Die Macht, dass es am Ende so gemacht wird, wie sie es will.

KEIN REDETALENT: Merkel kann ein Publikum nur selten mitreißen. Öffentlich formuliert sie oft umständlich und wenig pointiert. Im kleinen Kreis ist sie dagegen humorvoll und selbstironisch.

KEINE NACHWUCHSFÖRDERUNG: Dass die CDU in den vergangenen Jahren nie einen anderen Namen als Merkel für den Parteivorsitz und die nächste Kanzlerkandidatur genannt hat, zeigt auch, wie wenig sich Merkel um die Förderung von Talenten bemüht hat. Konkurrenten hat sie oft kalt gestellt.

KEINE VISIONEN: Kritiker beklagen, Merkel habe keine eigenen Ziele, sondern sammele Ideen anderer und suche dann die Mehrheitsmeinung. In der Flüchtlingskrise bewies sie exakt das Gegenteil.