„Ich will wieder“ Was Merkels erneute Kandidatur bedeutet

Berlin (dpa) - Angela Merkel hat sich entschieden: Sie will auch nach 16 Jahren Parteivorsitz CDU-Chefin bleiben und zum vierten Mal Kanzlerin werden. Was bedeutet das für die 62-Jährige persönlich, für die Union und das Land?

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Ein Überblick:

Merkel wurde in der Flüchtlingskrise massiv kritisiert - auch in CDU und CSU. Wie schwer ist ihr der Entschluss gefallen?

Merkel sagt nicht, wann sie ihre Entscheidung getroffen hat. Nur, dass sie seit Sommer jeden Tag darüber nachgedacht hat. Wie nah sie an einem Verzicht war, gibt sie nicht zu erkennen. Die internationale Stimmung, dass sie nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten die letzte Verfechterin liberaler Werte sei, dürfte enormen Druck auf sie ausgeübt haben. Doch Merkel mahnt gleich: Keiner kann die Welt alleine retten. Sie empfindet sich als neugierig und kraftvoll genug und will dem Land und ihrer Partei etwas zurückgeben. „Ich will wieder“, sagt sie in der ARD-Sendung „Anne Will“.

Läuft sie nun Gefahr, dass viele Menschen schon wegen ihrer langen Amtszeit einen Wechsel wollen, so, wie es einst Helmut Kohl erging?

Es gibt Kritiker, die nur noch rufen „Merkel muss weg“. Sie wollen einfach etwas Neues, neue Gesichter, neue Gedanken. Merkels Situation und die Lage in Deutschland ist aber anders als die von Kohl und der Bundesrepublik kurz vor dessen Abwahl 1998. Der Westen kannte damals noch keinen islamistischen Terror, die USA waren die großen Verbündeten, Rechtspopulismus war weniger sichtbar. Viele Bürger wollen heute vor allem Sicherheit und Stabilität. Das könnte Merkels Pfund sein, denn zumindest international wird ihr attestiert, dass sie dafür steht. Und Merkel hat anders als Kohl nicht immer mit dem selben Partner regiert, sondern neben der FDP auch mit der SPD - und mit den Grünen könnte sie auch.

Wie will sie die internationalen Erwartungen als Bollwerk gegen die Trumps, Putins und Erdogans erfüllen?

Merkel wird weiter auf der Basis westlicher Werte Politik machen. Ihre Äußerungen vom Sonntagabend sind auch als Kampfansage gegen Trump zu verstehen, der im Wahlkampf wenig Respekt vor Minderheiten zu erkennen gab. Was die Türkei betrifft, ist sie in der Zwickmühle. Zwar verabscheut sie das Vorgehen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen Medien und Oppositionelle, aber die EU hat mit ihm einen Flüchtlingspakt geschlossen, und den will Merkel schon aus eigenem Interesse unbedingt erhalten. Gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin versucht sie den Westen - wie bei den Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts - zusammenzuhalten.

Wann wird Merkel den Wechsel an der CDU-Spitze einleiten?

Merkel sagt, Menschen seien nie alternativlos. Es gebe immer jemanden, der oder die den Staffelstab übernehmen könne. Für die Wahlperiode von 2017 bis 2021 ist das nicht der Fall, wie ihr Entschluss deutlich macht. Und was passiert dann? Merkel, die Fünfte? Oder leitet sie in der nächsten Amtszeit den Übergang ein? Merkel sagt: „Die hypothetische Fragen, was werde ich machen wenn und so weiter, die stehen im Augenblick wirklich nicht in meinem Zentrum. Das muss ich heute echt nicht beantworten, sonst sind wir ja gleich bei 2025.“

Merkel hat 1998 gesagt, sie wolle nicht als „halbtotes Wrack“ aus der Politik aussteigen. Wie fühlt sie sich heute?

Das weiß wohl nur ihr Ehemann Joachim Sauer. In der Sendung von Anne Will sagt Merkel am Sonntagabend, angesprochen auf ihr früheres Zitat, sie wolle nicht als „halbtotes Wrack“ aus der Politik ausscheiden: „Nun hab ich mich da mal angeguckt im Spiegel. Und ich finde, dass ich das noch nicht bin.“