Dokumentation Yücel: „Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung“

Berlin (dpa) - Während seiner einjährigen Inhaftierung ist Deniz Yücel zum Symbol der deutsch-türkischen Krise geworden. In einem schriftlich geführten Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählte der Journalist Mitte Januar, auf welche Art er auf keinen Fall freikommen möchte - und was er nach der Entlassung aus dem Gefängnis als erstes machen will.

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Das Interview in Auszügen:

Frage: Herr Yücel, Sie sind seit mehr als elf Monaten hinter Gittern. Wie geht es Ihnen?

Antwort: (...) Ich will das Unrecht, das mir widerfährt, nicht kleinreden. Jeder Tag, der mir geraubt wird, ist kostbar. Aber ich will auch nicht so tun, als sei ich der größte Leidtragende dieser politischen Justiz.

Frage: Sie haben in Ihren Texten mehrfach deutlich gemacht, dass Sie am schmerzlichsten Ihre Ehefrau Dilek Mayatürk-Yücel vermissen. Was fehlt Ihnen nach Dilek am meisten im Gefängnis?

Antwort: Gerechtigkeit.

Frage: Wie verbringen Sie Ihre Zeit? Können Sie schreiben?

Antwort: Lesen, schreiben, putzen, Anwaltsgespräche vorbereiten, Anwälte treffen... Man hat im Knast gar nicht so viel Zeit, wie ich mir das vorgestellt hätte. Im Gefängnisladen kann ich Stifte und Papier kaufen. Und vom vielen Schreiben habe ich schon Schwielen an der rechten Hand. Fühlt sich aber gut an.

Frage: Der ebenfalls inhaftierte Chef der Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, hat im Gefängnis ein Buch verfasst. Können wir mit einem Buch von Ihnen rechnen?

Antwort: Oh ja! Es erscheint am 14. Februar in der Edition Nautilus. Eine Sammlung aus überarbeiteten alten und ganz alten, aber, wie wir meinen, immer noch lesenswerten Texten aus der „Welt“, der „taz“ und der „Jungle World“, ergänzt um zwei, drei neue Beiträge von mir und von Dilek (...) Der Titel: „Wir sind ja nicht zum Spaß hier“.

Frage: Haben Sie Angst, in Vergessenheit zu geraten? Wie wichtig ist die Solidarität aus Deutschland für Sie?

Antwort: Solche Gedanken hatte ich anfangs schon. Darum bin ich allen sehr dankbar, die mir diese Sorgen genommen haben; allen, die sich, ob in Deutschland, der Türkei oder anderswo und in welcher Weise auch immer, für mich und meine eingesperrten türkischen Kollegen einsetzen. Meiner Zeitung, der „Welt“, dem Axel-Springer-Verlag, dem Freundeskreis #FreeDeniz und den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Redaktionen, die mich nicht vergessen haben (...)

Frage: Die türkische Regierung verweist in Ihrem Fall wie auch in Fällen anderer inhaftierter Journalisten auf die Justiz. Glauben Sie an deren Unabhängigkeit?

Antwort: Türlich. Unabhängigste Justiz wo gibt von ganse Welt. Aber es ist eine Lüge, dass die türkische Regierung in meinem Fall und im Fall vieler türkischer Kollegen bloß interessierter Beobachter sei (...) Die Regierung ist kein Zuschauer, sie ist Partei, auch ganz offiziell.

Frage: Die türkische Regierung strebt eine Normalisierung der Beziehungen zu Deutschland an (...) Was sagen Sie zu diesen Bemühungen?

Antwort: Ach ja, tut sie das? Oder dämmert es ihr nur, dass sie es sich nicht leisten kann, sich mit aller Welt auf einmal zu verkrachen? Und zu wem strebt sie bessere Beziehungen an, zur Bundesregierung oder zum deutschen Kapital? (...)

Frage: Rechnen Sie im Zuge dieser Entspannungsbemühungen mit Ihrer baldigen Freilassung?

Antwort: (...) Ich für meinen Teil möchte meine Freiheit weder mit Panzergeschäften von Rheinmetall oder dem Treiben irgendwelcher anderen Waffenbrüder befleckt wissen, noch mit der Auslieferung von gülenistischen Ex-Staatsanwälten oder putschistischen Ex-Offizieren (...) Kurz: Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung.

Frage: Was wäre das erste, was Sie im Fall Ihrer Freilassung machen würden?

Antwort: Dilek umarmen. Nochmal Dilek umarmen. Alle anderen umarmen, die gekommen sind, um mich abzuholen. Zigarette anzünden. Durchatmen.

Frage: Würden Sie nach einer Freilassung weiterhin als Journalist in der Türkei arbeiten wollen, oder würden Sie lieber nach Deutschland zurückkehren?

Antwort: Nun, ich darf nochmal auf den Titel meines Buches verweisen: „Wir sind ja nicht zum Spaß hier“. Ich habe hier einen Job. Aber natürlich muss ich sehen, wie diese Geschichte weitergeht. Und das alles in Ruhe mit meiner Dilek und mit meiner Zeitung besprechen (...)