Alte Wählermilieus schwinden Forscher: „Chaos“ in der SPD verantwortlich für Rekordtief
Berlin (dpa) - Das Rekordtief der SPD in Umfragen hat die Partei aus Sicht des Politologen Oskar Niedermayer selbst verschuldet. „Es ist das Hickhack, es ist das Chaos, das die SPD seit einiger Zeit anrichtet, das den Leuten zunehmend auf die Nerven geht“, sagte der Parteienforscher der Deutschen Presse-Agentur.
Es sei nicht nur die Debatte um den SPD-Vorsitz, die die Wähler ermüde. Dies zeige sich auch daran, dass die Partei trotz des Rückzugs von Martin Schulz aus der SPD-Führung weiter abgestürzt sei. Um in der Wählergunst wieder besser dazustehen, müssten die Sozialdemokraten unter einem neuen Vorstand erst zur Ruhe kommen.
Zudem leide die SPD unter dem Schwinden traditioneller Wählermilieus, die sich der Partei dauerhaft verpflichtet fühlten. Auch die CDU sei von diesem Effekt betroffen. „Die traditionellen Gruppen, die diese Bindungen hatten, verschwinden. Also Arbeiter bei der SPD, gläubige Katholiken bei der Union“, erläuterte Niedermayer.
Dieser Trend halte seit den 1960er Jahren an. Deshalb sei auch das Wahlverhalten innerhalb bestimmter Milieus heute weniger vorhersehbar. Das mache es den großen Parteien schwerer, eine breite Wählerschaft zu erreichen.
Wenn Parteien geeignete Kandidaten aufstellten und die für Wähler wichtigen Themen angingen, könnten sie den langfristigen Trend stoppen oder sogar umkehren, sagte der Politologe. Dies sei 2017 im Bundestagswahlkampf aber weder der SPD noch der Union geglückt. „Die Kurzfrist-Faktoren (...) wirken von Wahl zu Wahl unterschiedlich. Diesmal waren sie für beide großen Parteien nicht ganz optimal.“
In einer Umfrage von Infratest Dimap für den ARD-Deutschlandtrend extra kommen die Sozialdemokraten aktuell nur noch auf 16 Prozent. Das sind zwei Punkte weniger als Anfang Februar. Die Union kommt in der Umfrage unverändert auf 33 Prozent.