Es hakt in Hamburg Zähes Ringen auf G20-Gipfel: „Es ist ein Zirkus“
Hamburg (dpa) - So schwierig wie bei diesem Gipfel waren die Gespräche der Staats- und Regierungschefs der Top-Wirtschaftsmächte (G20) noch nie. Auch in der zweiten Gipfelnacht zum Samstag müssen die Chefunterhändler noch einmal ran, um Kompromisse auszuloten.
„Es ist ein Zirkus“, sagte einer. In den besonders strittigen Punkten Handel und Klima zeichnet sich in Hamburg zunächst kein Durchbruch ab. Zum Handel sagte Kanzlerin Angela Merkel: „Hier sind die Diskussionen sehr schwierig. Da will ich gar nicht drumrum reden.“
Warum hakt es beim Handel?
Seit Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump macht das Wort vom drohenden „Handelskrieg“ die Runde. Trump und die neue US-Administration setzen im Rahmen ihrer „America-First“-Politik auf einen nationalistischen Kurs und Marktabschottung zum Vorteil der heimischen Wirtschaft. Die Trump-Regierung sieht nach Aussage maßgeblicher Berater die Welt nicht als „globale Gemeinschaft“, sondern „als Arena“, in der jeder seinen „eigenen Vorteil sucht“.
Womit drohen die Amerikaner?
Trump lässt prüfen, ob Stahlimporte als nationales Sicherheitsrisiko einzustufen sind. Was Strafzölle nicht nur für chinesische Unternehmen bedeuten würde, sondern auch für europäische und deutsche. Die Begründung „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ ist aus Sicht von Experten nur ein Vehikel, um einseitig abschottende Maßnahmen zu verhängen. Merkel zufolge spielte der Stahlstreit eine große Rolle. Das auf G20-Ebene vor etwa einem Jahr eingerichtete globale Forum zum Abbau von Stahlüberkapazitäten müsse schneller arbeiten. Es bestehe die Chance, dies auf G20-Ebene multilateral zu lösen. Ansonsten seien bilaterale Maßnahmen wahrscheinlicher.
Wie könnten Gegenmaßnahmen der Europäer aussehen?
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellte vor Gipfelbeginn klar: Sollte es zu Beschränkungen kommen, werde die Europäische Kommission „adäquat zu reagieren wissen“. Nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO sind Vergeltungsmaßnahmen legal, wenn Strafmaßnahmen als ungerechtfertigt eingestuft werden. Die EU könnte mit Strafzöllen gegen US-Produkte reagieren
Wie geht es denn im Klimaschutz weiter?
Nach dem Ausstieg von Trump aus dem Pariser Klimaabkommen ringen die G20-Staaten um eine gemeinsame Erklärung. Doch können darin eigentlich nur die Differenzen beschrieben werden. So erscheint Trump isoliert, obwohl Gastgeber Deutschland oder auch China eine demonstrative Ausgrenzung vermeiden wollen. Doch die Forderungen der USA, wie der Text aussehen soll, nehmen bizarre Züge an. Besonders strittig ist, dass die USA sogar eine Rolle bei einer saubereren Nutzung von fossilen Energien suchen. Diese müssten aber eigentlich weltweit auslaufen, wenn die Pariser Klimaziele einer Erderwärmung von deutlich unter zwei Grad erreicht werden sollen.
Was wollen die G20 in der Nordkorea-Krise tun?
Die G20 sind für eine Reaktion des UN-Sicherheitsrates auf den jüngsten Raketentest Nordkoreas. Man hoffe gemeinsam auf eine „angemessene Antwort“ durch das Gremium, sagte Merkel. Die G20 stecken in einer Zwickmühle. Nach dem ersten Test einer Interkontinentalrakete durch Nordkorea ist wieder von neuen, „schärferen Sanktionen“ die Rede, obwohl das Land längst völlig isoliert ist. Der große Nachbar China soll mehr Druck auf Pjöngjang ausüben. Aber das hat bisher schon nicht funktioniert. Die USA ergreifen deswegen eigenhändig Sanktionen gegen chinesische Firmen, die Geschäfte mit Nordkorea machen. China ist empört und beteuert, die UN-Resolutionen strikt umzusetzen, fürchtet aber auch eine Destabilisierung Nordkoreas. Trump ist zunehmend frustriert.
Was wird für Afrika getan?
Merkel hat mit dem „Compact with Africa“ vorgelegt. Die Initiative zielt darauf ab, private Investitionen in Afrika zu stärken, unter anderem in Infrastruktur. So soll ausgewogenes und nachhaltiges Wachstum gefördert werden. Hilfsorganisationen sind aber nicht überzeugt. Aus ihrer Sicht müsse mehr zur Beseitigung von Armut und Ungleichheit getan werden. Auch im Kampf gegen die Hungerkrisen in Nigeria, im Südsudan, in Somalia und im Jemen tun die G20-Staaten schon nicht genug. Die Vereinten Nationen benötigen 4,9 Milliarden Dollar (4,3 Milliarden Euro). Aber bislang ist weniger als die Hälfte zugesagt. Mehr als 20 Millionen Menschen sind bedroht.
Gibt es Einigkeit im Umgang mit Flüchtlingen?
Eher nicht. EU-Ratspräsident Donald Tusk forderte ein schärferes Vorgehen gegen Schlepperbanden. „Auf internationaler Ebene muss mehr unternommen werden, um das Geschäft der Schmuggler zu zerschlagen.“ Er forderte die G20-Chefs auf, Sanktionen zu verhängen - etwa Reiseverbote. „Das ist das Mindeste, was auf globaler Ebene getan werden kann.“ Aber derzeit gebe es leider nicht einmal für dieses Minimum volle Unterstützung. „Wenn uns diese Unterstützung nicht zugesagt wird, ist das ein trauriger Beleg für die Heuchelei einiger G20-Mitglieder.“ Er hofft aber doch noch auf einen Erfolg.