Angst vor Europa
Brüssel. Ein Gespenst geht um in Europa: die Wirtschaftsregierung. Vielerorts wird die Sorge geäußert, unter französischer Regie bereite Europa die komplette Entmachtung nationaler Regierungen in der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik vor.
Einige warnen bereits davor, dass die Deutschen dazu verdonnert werden, doch bitte schön etwas weniger wettbewerbsfähig zu sein, damit schwächere Euro-Länder mehr Chancen auf internationalen Märkten haben.
Solche Befürchtungen sind fern der Realität. Sie speisen sich aus einer diffusen Angst davor, dass die Franzosen ohnehin nur Deutschlands Wirtschaftskraft schwächen und sich Griechen und Portugiesen in ihren Hängematten in der Not auf deutsche Hilfen verlassen wollen. Europas Regierungen haben in der Krise gemerkt, wie sehr sie längst davon abhängig sind, dass auch die Wirtschaft im Nachbarland funktioniert. Viele Spielregeln der Wirtschaft - Wettbewerb, Binnenmarkt, Währung - werden bereits gemeinsam entschieden. In anderen Gebieten gibt es zumindest den Bedarf, sich zu informieren und abzustimmen.
Es ist schließlich nicht einzusehen, dass die Euro-Länder Garantien für angeschlagene Staaten abgeben, ohne sich rückversichern zu können, dass die Empfänger an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Bloße Sparversprechen sind nicht genug. Diese Abstimmung mit mehr Verbindlichkeit zu unterlegen, ist das Ziel der Vorstöße unter dem Titel Wirtschaftsregierung.
Es gibt gute Gründe, sich über die Einzelheiten dieser Zusammenarbeit zu streiten. Aber nicht mehr darüber, ob Europas Staaten überhaupt wirtschaftspolitisch enger zusammenwirken sollen. Diese Frage ist spätestens seit der Banken- und Schuldenkrise mit ja beantwortet.