Arbeitgeberpräsident Hundt sagt Nein zu Mindestlohn
Am 18. November tritt der 75-Jährige als Arbeitgeberpräsident ab. Kritik übt er an den aktuellen Plänen von Union und SPD.
Berlin. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt macht aus seiner Überzeugung keinen Hehl: Von Garantierente für Geringverdiener oder gesetzlichem Mindestlohn hält er gar nichts.
Herr Hundt, was spricht eigentlich gegen eine Lebensleistungs- oder Solidarrente zur Verhinderung von Altersarmut?
Dieter Hundt: Eine Lebensleistungsrente ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wenn der Gesetzgeber diese einführen will, muss das aus Steuermitteln finanziert werden. Alles andere widerspricht dem Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung: Die Beitragszahlungen bestimmen die Höhe der Rente. Um Altersarmut zu verhindern, gibt es nur zwei erfolgreiche Wege: Arbeit und Eigenvorsorge.
Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro könnte flächendeckend Lohndumping und Schmutzkonkurrenz einen Riegel vorschieben. Sie sind dagegen. Warum?
Hundt: Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn trifft vor allem die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt: Langzeitarbeitslose, gering Qualifizierte und junge Menschen, die keine Ausbildung haben. Das zeigt die deutlich höhere Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit in allen europäischen Ländern, die einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn haben. Es gibt in Deutschland derzeit 41 laufende Tarifverträge mit DGB-Gewerkschaften mit unteren Tariflöhnen unter 8,50 Euro. Die Tarifparteien haben gute Gründe, in bestimmten Fällen solche Einstiegslöhne zu vereinbaren. Sie geben Berufsanfängern, Langzeitarbeitslosen und gering Qualifizierten wertvolle Chancen auf Einstieg in Arbeit.
Kritisiert wird von den Arbeitgebern, dass von den rund 1,3 Millionen Hartz-IV-Empfängern die Hälfte einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht. Gäbe es denn genügend Vollzeitstellen?
Hundt: Bei der guten Arbeitsmarktlage und dem sich ausweitenden Fachkräftemangel ist es möglich und notwendig, mehr Menschen in Vollzeitstellen zu bringen. Um Vollzeitstellen attraktiver zu machen, müssen die Hinzuverdienstregeln vom Kopf auf die Füße gestellt werden: Vollzeitnahe Einkommen sollten stärker freigestellt werden. Und im Gegenzug sollten Bruttoeinkommen bis zu 200 Euro monatlich künftig voll auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden.
Gegen die Zersplitterung der Tariflandschaft fordern Sie seit Jahren eine gesetzliche Regelung zur Tarifeinheit. Haben die Arbeitgeber den von Ihnen beklagten Zustand nicht selbst herbeigeführt?
Hundt: Nein. Entstanden ist das Problem durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, die jahrzehntelang auf Basis der Rechtsprechung gültige Tarifeinheit aufzukündigen. Diese sichert mit der Friedenspflicht unsere Tarifautonomie und die Akzeptanz des Tarifvertragssystems. Gerade um Tarifverträge attraktiv zu halten, brauchen wir die Tarifeinheit. Die Tarifpartner haben die Tarifverträge durch Öffnungsklauseln und differenzierte Tarifabschlüsse grundlegend modernisiert. Diesen Weg gilt es weiter zu beschreiten.
Vieles wird teurer — die Pflege, die Rente und die Gesundheit. Warum lehnen es die Arbeitgeber kategorisch ab, sich an den Kosten zu beteiligen?
Hundt: Die demografische Entwicklung ist eine Tatsache, der wir uns stellen müssen. Unsere Sozialversicherungen müssen so gestaltet werden, dass sie auch in Zukunft leistungsfähig und finanzierbar bleiben. Was derzeit an Leistungsausweitungen diskutiert wird, ist gerade deshalb so gefährlich: Die vorübergehenden Überschüsse in den Sozialkassen dürfen nicht für dauerhafte zusätzliche Leistungen verwendet werden.