Aussetzung für Transit-Lkw heizt Streit um Mindestlohn an
Berlin (dpa) - Der deutsche Mindestlohn verärgert Spediteure in der EU - er gilt auch für ausländische Lkw-Fahrer. Nun lenkt Berlin ein und stoppt vorerst einen Teil der Regeln. Das befeuert innenpolitischen Streit.
Die Bundesregierung setzt den erst seit einem Monat geltenden Mindestlohn nach Protesten von Nachbarstaaten für ausländische Lkw-Fahrer auf der Durchreise aus. In der schwarz-roten Koalition heizt das den Streit um weitere Korrekturen an. Die Union will weniger Nachweispflichten für Firmen und verlangte am Freitag ein generelles Aussetzen der Kontrollen. Das Arbeitsministerium lehnte dies ab. Die Vorschriften für Lkws soll nun die EU-Kommission klären. Mehrere EU-Staaten kritisieren Nachteile für ihre Spediteure.
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte, die Mindestlohn-Regeln für reine Transitfahrten durch Deutschland würden vorerst ausgesetzt. Dies solle als „Zeichen guter Nachbarschaft“ so lange gelten, bis europarechtliche Fragen überprüft sind, sagte sie nach einem Gespräch mit ihrem polnischen Kollegen Wladyslaw Kosiniak-Kamysz in Berlin. Ein bereits eingeleitetes Prüfverfahren der EU dazu dürfte noch vor dem Sommer abgeschlossen sein. In Kraft bleibt der Mindestlohn allerdings für Lastwagen, die in Deutschland be- und entladen werden.
Nahles räumte ein, dass die Durchsetzung der seit 1. Januar geltenden gesetzlichen Untergrenze von 8,50 Euro pro Stunde in diesem Punkt zu Unruhe in Nachbarländern geführt hat. „Wir möchten nicht, dass die Einführung des Mindestlohns in Deutschland durch einen Rechtsstreit im Kreis der Mitgliedsstaaten belastet wird.“ Nur für den Transit würden daher übergangsweise die Kontrollen ausgesetzt. Ausländische Speditionen müssen keine Aufzeichnungen erstellen. Nahles betonte, die Bundesregierung halte die Regeln aber für europarechtskonform.
Dagegen protestieren vor allem Polen und Tschechien. Der polnische Arbeitsminister Kosiniak-Kamysz nannte das teilweise Aussetzen des Mindestlohns einen „ersten Schritt in die richtige Richtung“. Er bekräftigte aber rechtliche Bedenken. Die EU-Kommission begrüßte das Einlenken Berlins. Sie bekräftigte, der deutsche Mindestlohn stehe „in vollem Einklang mit dem sozialpolitischem Engagement der EU-Kommission“ - allerdings müsse er den EU-Vorgaben entsprechen. Nahles kündigte weitere Gespräche mit Polen an, etwa über eine Vereinfachung von Dokumentationspflichten.
CDU und CSU forderten vor diesem Hintergrund erneut Korrekturen bei der generellen Mindestlohn-Anwendung. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) sagte, Nahles solle „auch die Bürokratie-Sorgen der Unternehmer bei uns im Land ernst nehmen.“ CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, dringend zu handeln sei bei überzogenen Dokumentationspflichten für Unternehmen. Regelungen, die rechtlich nicht tragfähig seien, müssten auf den Prüfstand. „Bis dahin fordere ich, die Kontrollen des Mindestlohns durch den Zoll auszusetzen.“
Das Arbeitsministerium erteilte dem umgehend eine Absage. „Ein Mindeststundenlohn ist nur so gut wie seine nachvollziehbaren Kontrollen“, sagte eine Sprecherin. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte gelassen auf das Aussetzen der einzelnen Regelung. Der Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte der „Stuttgarter Zeitung“: „Für Millionen Menschen bedeutet der Mindestlohn mehr Gerechtigkeit auf dem Lohnzettel und für die Wirtschaft mehr Konsumkraft - vorausgesetzt, die Unternehmen halten sich ans Gesetz.“