Autobranche fürchtet lange Flaute in Europa
Genf (dpa) - Die Autobranche macht sich keine Hoffnungen auf ein schnelles Ende der Absatzflaute in Europa. Die Schuldenkrise werde den Kontinent noch mindestens ein halbes Jahrzehnt beschäftigen, sagte BMW-Chef Norbert Reithofer am Dienstag am Rande des Genfer Autosalons.
„Die nächsten fünf Jahre wird diese Volatilität auch nicht zurückgehen. Und das ist eine ziemlich sichere Aussage“, so Reithofer
Auch der neue Opel-Chef Karl-Thomas Neumann dämpfte Erwartungen an ein rasches Ende der Absatz-Krise in Europa. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass es nicht vorbei ist.“ Der Chef des angeschlagenen französischen PSA-Konzerns, Philippe Varin, sagte: „Wir sollten uns nicht auf die Erholung und das Wachstum in Europa verlassen.“
Dagegen sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne: „Ich teile nicht die Meinung, dass der Markt in den nächsten drei bis fünf Jahren so schwach bleiben wird.“ 2013 werde zwar ein hartes Jahr. Er rechne aber damit, dass die Märkte ihre Talfahrt schon im Sommer beenden könnten. 2014 sei sogar wieder Aufwind möglich. Fiat selbst ist in einer Krise, die Tochter Chrysler sichert dem Konzern mit guten Geschäften aber einen Gewinn.
Angeschlagen ist auch der französische Konzern PSA Peugeot Citroën. PSA will nun statt auf Europa künftig auf Wachstumsmärkte wie China und Russland setzen, wo die Franzosen zunächst den Anschluss an Konkurrenten wie den VW-Konzern verpasst hatten. Verkaufte PSA 2012 erst 38 Prozent seiner Autos außerhalb der EU, soll es 2015 jedes zweite sein. Ende 2014 wollen die Franzosen kein Geld mehr verbrennen. 2012 waren es pro Monat noch 200 Millionen Euro gewesen. Fast vier Milliarden Euro hatte Peugeot Citroën auf das Europageschäft abgeschrieben.
Der US-Autobauer Ford erwartet 2013 in Europa ein ähnlich hohes Minus wie im Vorjahr. Schon 2012 hatte der Autobauer einen Vorsteuerverlust von rund 1,8 Milliarden Dollar (1,3 Mrd. Euro) eingefahren. Ein Teil davon liege allerdings an hohen Investitionen in neue Produkte, sagte Europa-Chef Stephen Odell. 2015 will Ford wieder ein ausgeglichenes Ergebnis erzielen - nicht zuletzt mit der Einführung neuer Modelle.
„Der europäische Automarkt wird noch eine ganze Weile lang schwierig bleiben - und zwar bis zum Jahr 2015/2016“, sagte Nissan-Renault-Chef Carlos Ghosn. „Es gibt keine guten Nachrichten.“ Letztlich gehe es nur noch um die Frage, ob sich der Markt schlecht oder sehr schlecht entwickle.
Opel-Chef Neumann setzt daher auf neue Modelle und sparsameres Haushalten. „Wir haben 23 neue Autos in der Pipeline“, sagte Neumann. „Und das ist, was wir tun müssen: Produkte, Produkte, Produkte.“ Mit dem neuen Kleinwagen Adam und dem kleinen Geländewagen Mokka sei Opel auf einem guten Weg. „Aber es ist sehr schwer, in diesem Segment Geld zu verdienen.“ Deswegen müsse Opel Kosten senken und Abläufe verbessern.
Offene Fragen nach der Grundsatzeinigung über die Zukunft des Werks in Bochum will er in einigen Wochen klären. Die Autoproduktion soll 2016 in Bochum auslaufen. Das Management will aber 1200 der mehr als 3000 Jobs dort erhalten.
Selbst für die Rekordjäger von BMW ist die Situation in Europa eine große Herausforderung: Denn noch immer stehe der Kontinent für 40 bis 45 Prozent des gesamten BMW-Absatzes, sagte Konzernchef Reithofer. Vor allem in Ländern wie Italien, Spanien oder Frankreich werde es schwer. „Dort ist momentan noch kein Boden zu sehen.“ BMW muss sich allerdings dank der starken Nachfrage in China oder den USA um die eigenen Zahlen derzeit nicht zu große Sorgen machen.
Während die deutschen Oberklasse-Hersteller Audi, Porsche und Daimler und auch der VW-Konzern von ihrer globalen Ausrichtung profitieren, stecken Hersteller wie PSA, Opel und Fiat in einer tiefen Krise - weil sie von der Entwicklung in Europa abhängig sind.
Daimler muss sich derzeit allerdings mit konzerninternen Scharmützeln herumschlagen. Nach Kritik an seinem Führungsstil will Vorstandschef Dieter Zetsche seinen Kurs jedoch nicht ändern. „Das sind Einzelmeinungen“, sagte er in Genf. Die Arbeitnehmerseite hatte nach dpa-Informationen unter anderem den Kommunikationsstil des Vorstandschefs bemängelt. Im Kampf der Oberklasse-Hersteller mit BMW und Audi wollen die Stuttgarter unterdessen bis 2016 einen „großen Schritt“ nach vorne gemacht haben, wie Zetsche ankündigte. Auch ein Sparprogramm soll der Pkw-Sparte dabei helfen.