Banken enteignen – wie geht das?
Der Bundestag hat den Beschluss zur Enteignungsmöglichkeit gefasst. Doch wie wird das bewerkstelligt? Eine Analyse.
Berlin. Der Bundestag hat am Freitag ein neues Kapitel in der Finanzkrise aufgeschlagen. Nach der Zustimmung des Parlaments können in Deutschland erstmals in der Nachkriegsgeschichte Aktionäre maroder Banken enteignet werden. Das Gesetz soll nur bis Ende Juni gelten und ist ausschließlich auf den angeschlagenen Finanzkonzern Hypo Real Estate (HRE) zugeschnitten. Hier wichtige Fragen und Antworten.
Der Bund hat nach den schlechten Erfahrungen in den USA mit der Lehman-Pleite sich verpflichtet, bei HRE einzuspringen und die Bank nicht Pleite gehen zu lassen. Eine Insolvenz würde das weltweite Finanzsystem zu tief erschüttern und weil HRE eine führende Spezialbank für Pfandbriefe ist, könnten sogar ganze Länder an den Rand des Bankrotts geraten. Seit über 200 Jahren gelten Pfandbriefe als die sicherste Geldanlage der Welt.
Die HRE hat schon 87 Milliarden Euro an staatlichen Garantien erhalten und 15 Milliarden Euro von der privaten Finanzindustrie. Sie benötigt rasch weitere 6 bis 10 Milliarden Euro. Dem Institut drohen massive Verluste. Ohne frisches Geld müsste es schon in Kürze von der Bankenaufsicht geschlossen werden. Bis Ende März müssen Banken ihre Bilanzen vorlegen, bei ausgewiesener Überschuldung droht die Insolvenz.
Eine Kontrollmehrheit bestünde schon bei einem Anteil von 75 Prozent und einer Aktie. Das hält auch der amerikanische HRE-Großaktionär J.C. Flowers für ausreichend. Er will Aktionär bleiben. Flowers hat rund eine Milliarde Euro verloren. Nachteilig dürfte sein, dass HRE-Aktionäre gegen Beschlüsse der Hauptversammlung klagen und die Sanierung verzögern könnten. Deswegen will der Bund am liebsten 90 Prozent von HRE. Dann könnten die anderen Aktionäre herausgedrängt werden.
Der Bund und auch der Bankenrettungsfonds Soffin argumentieren, dass sich die HRE nur bei einer Komplettübernahme günstig frisches Geld am Kapitalmarkt borgen kann und "Transaktionssicherheit" besteht - Aktionäre also nicht stören können. Das HRE-Modell war auf Schönwetterperioden ausgerichtet und hat nach Expertenansicht kaum eine Zukunftschance. Es könnten extrem weitgehende Maßnahmen bis zu Abspaltungen und zur Liquidation von Unternehmensteilen nötig werden. Mit dem Bund im Rücken hätte die HRE nach Meinung der Regierung auch Bestnoten bei der Kreditwürdigkeit - das begehrte "AAA". Experten rechnen mit einer Ersparnis von bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Zunächst will die Regierung Instrumente einsetzen, die an der Börse allgemein üblich sind. Möglich wäre ein Staatseinstieg über eine Kapitalerhöhung. Dabei gibt der Bund über den Rettungsfonds der HRE zunächst eine Finanzspritze und erhält im Gegenzug Aktien. Das bisherige Banken-Rettungspaket sieht aber vor, dass dadurch nur 33 Prozent der Aktien erworben werden können, ohne dass die Hauptversammlung zustimmen muss. Ein weiterer gangbarer Weg wäre ein Übernahmeangebot an alle Aktionäre.
Die Bundesregierung muss zunächst eine entsprechende Verordnung erlassen. Das Grundgesetz schreibt bei Enteignungen eine angemessene Entschädigung vor. Deren Höhe richtet sich nach dem Durchschnittskurs der HRE-Aktie in den beiden Wochen vor Ankündigung der Entscheidung. Heute wären das 200 Millionen Euro.
Vor einer Enteignung ist eine Hauptversammlung zwingend. Die könnte für Anfang April einberufen werden. Für eine Rettungs-Hauptversammlung beträgt die Frist sogar nur noch einen Tag.
Nein. Die Enteignung ist nur allerletzte Möglichkeit. Der Bund muss zuvor alle anderen, milderen Maßnahmen ausgeschöpft haben. Es soll weitere Gespräche mit dem US-Milliardär geben.