BP versucht den Neuanfang

Für den Ölmulti schlägt die Stunde der Wahrheit. Die neue Führungsspitze wird heute eine schlechte Bilanz ziehen.

London. Im BP-Imperium knirschten am Montag die tektonischen Platten. Hinter den Kulissen wurde der Abgang des in Amerika verhassten Konzernchefs Tony Hayward ausgehandelt. Schon jetzt soll die Ära des Wiederaufstiegs beginnen - die neue Konzernspitze veröffentlicht dann die Halbjahresbilanz.

Es ist einer der entscheidenden Momente der Firmengeschichte. Die BP-Chefs müssen heute zeigen, dass das Unternehmen die Ölkatastrophe durchstehen kann. "Wenn ihnen das nicht gelingt, werden Zweifel am Überleben der Gruppe als unabhängigem Unternehmen aufkommen", meint die "Financial Times". ExxonMobil könnte dann womöglich mit einem feindlichen Übernahmeversuch aus der Deckung kommen.

Auf eine Pressekonferenz will der Konzern heute verzichten und stattdessen nur eine Mitteilung verbreiten. Ein Zeichen der Schwäche? Dem Quartalsgewinn vor Sonderposten - nach Zeitungsberichten um die 5 Milliarden Dollar - stehen Schadensersatzzahlungen und andere Kosten von weit über 20 Milliarden Dollar gegenüber. Analysten-Schätzungen reichen bis hin zu 70 Milliarden Dollar auf lange Sicht.

Und selbst das ist noch nicht das Schlimmste. Die große Frage ist, ob die Marke BP auf dem amerikanischen Markt noch eine Zukunft hat. Das Ölleck im Golf von Mexiko ist zwar gestopft, aber damit ist die Kritik an BP nicht verebbt.

So will die US-Regierung herausfinden, ob BP bei der vorzeitigen Freilassung des libyschen Lockerbie-Bombers seine Hände im Spiel hatte. Kurz nachdem die britischen Behörden den Terroristen hatten ziehen lassen, unterzeichnete Hayward unter den wohlwollenden Blicken des damaligen Premierministers Tony Blair einen lukrativen Ölförderungsvertrag mit Libyen.

Der erwartete Rücktritt von Hayward ist nach vorherrschender Einschätzung unumgänglich für einen Neuanfang. Dem 53-jährigen Briten wird die "titanische Inkompetenz" ("The Guardian") der Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens zur Last gelegt. Und die Geschichte zeigt, dass Aktionäre sehr grundsätzliche Fragen stellen, sobald ein Unternehmen seine Reputation in einer solchen Weise einbüßt.

Allerdings könnte ein verspäteter Rücktritt im Oktober, in Verbindung mit einem wichtigen Mandat für Hayward beim russisch-britischen Joint Venture TNK-BP, auch eine Art Ehrenrettung für den Manager bedeuten. Mehrere Medien hatten am Montagabend übereinstimmend ein solches Ausstiegsszenario für Hayward geschildert.

Hayward würde dann nicht in die Wüste geschickt, sondern als wichtiger Verhandlungspartner in Russland eingesetzt. Hayward steht nach wie vor für eine Unternehmenskultur, die bis zur Explosion der Bohrinsel im Golf von Mexiko großen Anklang bei den Aktionären gefunden hatte. Es gefiel ihnen sehr, dass Hayward so ganz anders war als sein flamboyanter Vorgänger Lord Browne, der den Konzern ganze zwölf Jahre lang gesteuert hatte (1995-2007).

Browne investierte große Summen in die Erforschung und Förderung alternativer Energien. Als Hayward kam, gab er die Parole "jeder Dollar zählt" aus. Das kam gut an bei den Anteilseignern. Doch nun glauben Kritiker, dass der Sparkurs mitverantwortlich für die Ölkatastrophe gewesen sein könnte. Ob Haywards voraussichtlicher Nachfolger Bob Dudley von dieser Linie wieder abrücken wird, ist eine der wesentlichen Fragen der kommenden Monate.