Deutsche Börse wirbt für Fusion mit NYSE

Frankfurt/Main (dpa) - „Einmalige Chance“, „neue Dimension“, „Quantensprung“ - ungewohnt emotional wirbt Börsenchef Francioni für das wichtigste Projekt seiner Amtszeit: Die Fusion mit der New Yorker Börse NYSE.

Aktionäre Zweifeln am Erfolg des Deals, der Betriebsrat warnt vor Jobabbau.

„Der Zusammenschluss ist eine großartige Chance für dieses Unternehmen. Wenn wir sie nutzen, bringt dies unser Unternehmen auf einen Schlag in eine neue Dimension“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Dax-Konzerns, Reto Francioni, bei der Hauptversammlung am Donnerstag in Frankfurt. Die Kombination der beiden Börsen sei „richtungsweisend“, „ein echter Quantensprung“.

Die Deutsche Börse und die amerikanisch-europäische NYSE Euronext wollen den weltgrößten Börsenbetreiber schmieden: Mehr als 17 Milliarden Euro Börsenwert, mehr als 4 Milliarden jährliche Umsatzerlöse. Die Frankfurter rechnen zudem mit rund 400 Millionen Euro Kosteneinsparungen pro Jahr.

Aufsichtsratschef Manfred Gentz sprach von „exzellenten Wachstumsperspektiven“: „Alle Beteiligten werden langfristig daraus Nutzen ziehen.“ Das Fusionsvorhaben sei „sorgfältig so austariert, dass keine Seite die andere Seite beherrscht“. Francioni versprach für den neuen Konzern eine „attraktive Ausschüttungspolitik“.

Zwar stimmen die Aktionäre der Deutschen Börse AG nicht direkt über das Projekt ab. Doch bis zum 13. Juli müssen 75 Prozent das Angebot zum Umtausch ihrer Aktien in Anteile des neuen Unternehmens annehmen, damit die Fusion seitens der Deutschen Börse möglich wird. Aktionärsschützer äußerten Zweifel, dass der Milliardendeal das „US- Trauma“ der Frankfurter heilen werde und erinnerten an den überteuerten Kauf der US-Optionsbörse ISE Ende 2007.

Bei der NYSE ist für den 7. Juli eine außerordentliche Hauptversammlung geplant. Dort reicht eine einfache Mehrheit. Die Konkurrenz versucht, die Megafusion zu verhindern: Die US-Technologiebörse Nasdaq hat gemeinsam mit der IntercontinentalExchange (ICE) ein Gegenangebot vorgelegt.

Auch in Frankfurt gibt es Widerstand: Der Betriebsrat der Deutschen Börse machte am Tag vor der Hauptversammlung seine Bedenken öffentlich. „Wir befürchten, dass zentrale Unternehmensentscheidungen künftig von New York aus getroffen werden und der Finanzplatz Deutschland an Bedeutung verlieren wird“, sagte Betriebsratschefin Irmtraud Busch. Dazu komme: „Kostensynergien heißt immer Stellenabbau. Das wird im Rahmen der Fusion weitergehen.“

Francioni versicherte dagegen bei dem Aktionärstreffen erneut, der Finanzplatz Frankfurt werde nicht unter die Räder kommen. Das „ausgewogene Standortkonzept“ mit Zentralen in Frankfurt und New York sei in der Satzung der neuen Holding rechtlich festgeschrieben. „Auch die personelle Besetzung der Führungsorgane der neuen Gesellschaft ist ein Garant für die Berücksichtigung der Interessen der Deutschen Börse und des Finanzplatzes Frankfurt.“ NYSE-Chef Duncan Niederauer soll Konzernchef werden, Francioni Vorsitzender des Verwaltungsrates.

Ab 2016 wäre die Machtverteilung bei der neuen Megabörse jedoch wieder offen: Dann endet die im Fusionsvertrag festgeschriebene Übermacht von Deutsche-Börse-Vertretern im Verwaltungsrat.