Deutsche Wirtschaft setzt trotz Spannungen auf russischen Markt
St. Petersburg (dpa) - Russland muss aus Sicht der deutschen Wirtschaft einiges tun, um das im Ukraine-Konflikt eingebüßte Vertrauen ausländischer Investoren zurückzugewinnen.
„Die Russen wissen, dass sie verlässliche Investitionsbedingungen anbieten müssen, wenn sie ausländisches Kapital anlocken wollen“, sagte der Chef des Ost-Ausschusses, Eckhard Cordes, der Nachrichtenagentur dpa.
Gemeint ist damit auch eine stabile und berechenbare Politik. Cordes, der am Donnerstag zum Auftakt des Wirtschaftsforums in St. Petersburg ein Podium leitete, betonte, dass laufende Projekte deutscher Unternehmen in Russland durch die Krise nicht gefährdet seien.
„Anders sieht das für Unternehmen aus, die neue Aktivitäten in Russland planen. Sie müssen ihre Vorhaben natürlich kritisch prüfen“, sagte er. Es gebe eine wachsende Angst in der Wirtschaft vor einem Rückfall in die Zeit des Kalten Krieges. Nach dem umstrittenen Anschluss der zur Ukraine gehörenden Schwarzmeerhalbinsel Krim an Russland hatten die EU und die USA Einreiseverbote und Kontosperrungen gegen Funktionäre verhängt. Russland sieht sich seither dem Vorwurf ausgesetzt, in Jahren aufgebautes Vertrauen zerstört zu haben und unberechenbar zu sein.
Dem rbb-Inforadio sagte Cordes, es habe keinerlei politischen Druck gegeben, dem Treffen unter Schirmherrschaft von Kremlchef Wladimir Putin fernzubleiben. Die deutsche Wirtschaft sei sich mit der Bundesregierung einig und hoffe auf eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts. Sollte es diese aber doch nicht geben, werde die Wirtschaft auch Sanktionen der Bundesregierung unterstützen.
Allerdings warnten deutsche Unternehmen, die in Russland vertreten sind, in St. Petersburg vor Sanktionen, die den Handel und Kapitalgeschäfte betreffen. Es säßen bereits asiatische Unternehmen in den Startlöchern, um Geschäfte auf dem attraktiven russischen Markt zu übernehmen, sollten westliche Firmen sich zurückziehen.
Er habe Respekt vor jedem Manager, der an dem Treffen in der früheren Zarenmetropole teilnehme, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer, dem Nachrichtenradio MDR Info: „Nur durch Reden können Überzeugungen gewonnen werden, können Brücken wieder gebaut werden.“ Angesichts des Ukraine-Konflikts sei das diesjährige Petersburger Forum viel wichtiger als in den vergangenen Jahren. Für den Energiekonzern Eon etwa nahm der Manager Jørgen Kildahl teil, nachdem Vorstandschef Johannes Teyssen seine Reise abgesagt hatte.
Der Chef des Handelskonzerns Metro, Olaf Koch, rief in St. Petersburg zur weiteren Zusammenarbeit auf. Das Vertrauen in Russland habe zwar gelitten in den vergangenen Wochen, sagte Koch. „Dialog ist aber der Schlüssel“, betonte der Manager. Metro wolle angesichts der „vielen Möglichkeiten“ auch künftig hier investieren. Der Düsseldorfer Konzern betreibt in Russland vor allem Cash&Carry-Großmärkte sowie Filialen der Kette Media Markt.
Insgesamt hätten angesichts der politischen Spannungen 34 Konzernchefs auf eine Anreise verzichtet, darunter viele Stammgäste aus den USA, teilten die Organisatoren mit. Zahlreiche Firmen schickten demnach Vertreter der zweiten Reihe. Es gebe jedoch keinen einzigen Boykott durch ein Unternehmen, hieß es.
Präsident Putin will sich bei dem wichtigsten Wirtschaftstermin in Russland an diesem Freitag zur Zukunft der Rohstoff-Großmacht äußern. Ziel des noch bis Samstag dauernden Forums mit mehr als 6000 Teilnehmern aus über 60 Ländern ist es nach Angaben der Organisatoren, verlorenes Vertrauen wieder herzustellen. Die Tagungshallen auf dem Gelände Lenexpo sind gut gefüllt. Insgesamt eine Milliarde Rubel (21 Mio Euro) lässt sich Russland seine Antwort auf das Forum im Schweizer Kurort Davos kosten.