„Situation angespannt“ Dreht Russland Deutschland im Juli den Gashahn zu? Habeck befürchtet Pipeline-Blockade
München/Berlin · Macht Putin nun ernst? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen - und zwar noch im Juli.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream. Es drohe ab dem 11. Juli „eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt“, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag bei einem „Nachhaltigkeitsgipfel“ der „Süddeutschen Zeitung“. Deswegen könne es im Winter wirklich problematisch werden. Die Gasversorgung über den Sommer sei gewährleistet.
Russland hatte unter Verweis auf technische Probleme die Lieferungen durch Nord Stream bereits stark gedrosselt. Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten. Die Pipeline werde in der Regel für zehn Tage heruntergefahren, so Habeck. Aber nach dem Muster, dass man gesehen habe, wäre es nicht „superüberraschend“, wenn irgendein kleines Teil gefunden werde. „Und dann sagt man: Ja, das können wir halt nicht wieder anmachen, jetzt haben wir bei der Wartung irgendwas gefunden und das war's dann. Also insofern ist die Situation durchaus angespannt.“
Füllstände der Speicher bei rund 61 Prozent
Die Speicher müssten zum Winter hin voll sein, zwei schwimmende Terminals zum Import von Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland müssten angeschlossen sein. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen laut Bundesnetzagentur bei rund 61 Prozent. Nach der russischen Drosselung werde pro Tag 0,3 bis 0,5 Prozent Gas eingespeichert, sagte Habeck. Das sei ungefähr die Hälfte dessen, was vor dem „Cut“ von Nord Stream 1 passiert sei. Es seien aber noch erhebliche Mengen.
Die Bundesregierung hatte nach der Verringerung der Gaslieferungen durch Russland die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. „Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland“, hatte Habeck gesagt. Er hatte ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, damit der Gasverbrauch in der Industrie sinkt und Gas stattdessen eingespeichert werden kann.
Neue NRW-Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) warnt vor Verschärfung der Gaskrise
Nordrhein-Westfalens neue Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) hat vor einer Verschärfung der Gaskrise gewarnt. Die Lage derzeit sei „ernst, aber stabil“, sagte Neubaur am Donnerstag in ihrer ersten Rede im Landtag in einer Aktuellen Stunde. Die Gasversorgung sei noch gesichert. Gleichwohl verenge sich die Situation wegen der sukzessiven Reduktion der Gasflüsse aus Russland weiter. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine habe die starke Energieabhängigkeit von Russland „schonungslos offengelegt“.
Die frühere Grünen-Landeschefin hatte bei der Wahl Mitte Mai ein Landtagsmandat errungen und war erst am Mittwoch zur Ministerin ernannt worden.
Nach der drastischen Verringerung der Gaslieferungen aus Russland hatte die Bundesregierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine Ende Februar gilt die Versorgung Europas mit Gas aus Russland als gefährdet. Die Energiepreise sind bereits stark gestiegen.
Nach Worten Neubaurs muss für einen finanziellen Ausgleich für Verbraucher und Unternehmen gesorgt werden. Denn es drohe eine Versechsfachung der Preise. Angesichts der „Zumutungen“ für die Menschen müsse ein „fairer Lastenausgleich“ geschaffen werden.
Die SPD warnte vor den Folgen der Krise für das Industrieland NRW. 440 000 Menschen seien hierzulande in energieintensiven Unternehmen beschäftigt, auf die wiederum 40 Prozent des Gasverbrauchs im Land zurückgehe. Die Notfallstufe des Notfallplans Gas sehe vor, dass vorrangig ein Großteil dieser Unternehmen vom Netz abgeklemmt werde, um die Versorgung der Privathaushalte und kritischer Infrastruktur zu sichern.