Bahn-Tarifrunde Drohen wieder Streiks bei der Deutschen Bahn?

Die Deutsche Bahn steht vor einer Tarifrunde unter schwierigen Vorzeichen. Der Konzern ringt um seine Finanzen. Zugleich wollen die Gewerkschaften auf eine deutliche Lohnerhöhung nicht verzichten.

Foto: dpa/Jan Woitas

Bei der Deutschen Bahn beginnen an diesem Donnerstag wieder Tarifverhandlungen für rund 160 000 Beschäftigte. Damit verbunden ist stets die Sorge, Streiks könnten den Zugverkehr einschränken. Doch das muss nicht so kommen, wie die Tarifrunde 2016/17 gezeigt hat. Damals einigte sich die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ohne Streik in Verhandlungen mit der Bahn. Mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) kam ein Tarifkompromiss in einer Schlichtung zustande. Die Tarifverträge mit EVG und GDL sind zum 30. September ausgelaufen.

Welche Forderungen erheben die Gewerkschaften?

Zunächst einmal geht es ums Geld. Die GDL hat mit einer Forderung nach 7,5 Prozent Lohnerhöhung für eine Vertragslaufzeit von 24 Monaten vorgelegt. Die EVG schloss sich der prozentualen Forderung an, wobei sie die Laufzeit offenließ. EVG und GDL beschlossen darüber hinaus Forderungskataloge zu Zulagen, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen.

Worauf legt die EVG besonders wert?

Wie erstmals in der vorigen Tarifrunde vereinbart, will es die EVG auch diesmal ihren Mitgliedern ermöglichen, statt der Lohnerhöhung eine kürzere Wochenarbeitszeit oder zusätzliche Urlaubstage zu wählen. Eine Befragung der Mitglieder habe gezeigt, „wie groß der Wunsch nach mehr selbstbestimmter Zeit ist und dass wir hier dringend entsprechende Angebote brauchen“, sagte EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba. Die Gewerkschaft verlangt außerdem einen höheren Arbeitgeberanteil an der betrieblichen Altersvorsorge. Ferner solle die monatliche Ausbildungs- und Studienvergütung für alle Nachwuchskräfte um 150 Euro angehoben werden.

Was will die GDL durchsetzen?

Abgesehen von der Entgelterhöhung für alle will die GDL erreichen, dass die Bahn für Nachtschichten sowie Arbeit an Sonn- und Feiertagen höhere Zulagen zahlt. Sie setzt sich außerdem dafür ein, dass eine Verkürzung der Ruhezeit zwischen zwei Schichten auf weniger als zehn Stunden nicht mehr möglich ist, keine Pausen im Zug genommen werden müssen und die Zahl der auswärtigen Übernachtungen in Hotels eingeschränkt wird.

Welche Position nimmt die Bahn vor Verhandlungsbeginn ein?

Im Einzelnen hat sich das Unternehmen noch nicht zu den Forderungen der Gewerkschaften geäußert. Es ist aber zu erwarten, dass ihr die Lohnforderungen zu hoch sind. Die Finanzlage des Konzerns ist schwierig. Im ersten Halbjahr schrumpfte der Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 28 Prozent. Der Vorstand beschloss deshalb eine gezielte Ausgabensteuerung. Andererseits will die Bahn im Wettbewerb um Fachkräfte attraktiv bleiben. Die von der EVG geforderte erweiterte Wahlmöglichkeit zwischen Lohnerhöhung, mehr Urlaubstagen oder einer kürzeren Wochenarbeitszeit stößt im Bahn-Management auf wenig Gegenliebe. Man habe wegen des seit Anfang 2018 geltenden Wahlmodells rund 1500 Mitarbeiter zusätzlich einstellen müssen, heißt es beim Konzern.

Arbeiten EVG und GDL zusammen?

Nein. Jede Gewerkschaft verfolgt erst einmal ihre eigenen Interessen. EVG und GDL verhandeln getrennt mit der Bahn. Die EVG vertritt dabei rund 100 000 Beschäftigte. Für das Zugpersonal, zusammen 35 000 Mitarbeiter, darunter vor allem Lokführer und Zugbegleiter, sind sowohl GDL als auch EVG zuständig. Für die Bahn wiederum „bleibt ein zentrales Ziel, Tarifabschlüsse mit gleichen Ergebnissen für gleiche Berufsgruppen zu verhandeln“.

Was passiert, wenn in Verhandlungen keine Einigung gelingt?

Nach dem Tarifkonflikt 2015 haben die Deutsche Bahn und die GDL ein Schlichtungsverfahren vereinbart. Es ist in einem „Tarifvertrag zur Regelung von Grundsatzfragen“ festgeschrieben, der bis Ende 2020 gilt. Aus der Vereinbarung ergibt sich, dass die GDL erst nach einer Schlichtung streiken darf. Mit der EVG gibt es keine Schlichtungsvereinbarung.

Wie endete der jüngste Tarifkonflikt?

Mit einem Kompromiss, der mit der GDL erst in einer Schlichtung erreicht wurde. Das Tarifpaket hatte ein Volumen von 5,5 Prozent. Erstmals wurde ein Wahlmodell eingeführt: Die zweite Stufe der Entgelterhöhung - 2,6 Prozent - konnten Bahnmitarbeiter auf Wunsch umwandeln in eine Stunde weniger Wochenarbeitszeit oder sechs Tage mehr Urlaub.

(dpa)