Druck auf Euro-Retter wächst
Brüssel (dpa) - Europa bleibt in der Schulden- und Bankenkrise überfällige Antworten schuldig: Nach wie vor offen ist ein Gesamtpaket, dass Griechenland vor dem Zusammenbruch rettet sowie Risiko-Staaten wie Italien und Spanien aus der Schusslinie der Finanzmärkte nimmt.
Auf dem EU-Gipfel am Sonntag in Brüssel knöpften sich Deutschland und Frankreich Italiens Premier Silvio Berlusconi vor - seine Regierung müsse die Schuldenlast verringern. Unter Druck stehen auch die Banken: Sie müssen mehr Kapitalpuffer gegen Risiken aufbauen und sich weit stärker an der Rettung Griechenlands beteiligen.
Trotz des Verhandlungsmarathons, der am Freitag mit mehreren Ministerrunden begonnen hatte, blieb strittig, wie der Euro-Rettungsschirm EFSF wirksamer eingesetzt werden kann. Darüber wollen die Staats- und Regierungschefs der Eurozone nun beim nächsten Gipfel an diesem Mittwoch entscheiden. Zuvor muss der Bundestag grünes Licht geben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy waren bemüht, in Brüssel den Eindruck zu zerstreuen, es gebe Streit zwischen Berlin und Paris. „Frankreich und Deutschland sprechen mit einer Stimme“, sagte Sarkozy.
„Wir sehen, dass die Bestandteile eines umfassenden Paketes zusammenkommen“, sagte der britische Premierminister David Cameron. „Am Mittwoch wird es eine Einigung geben, die die Finanzkrise eindämmt“, versprach Sarkozy.
Auf Druck Berlins steht auch eine Änderung des EU-Vertrags auf der Tagesordnung. Deutschland will auf diese Weise mehr rechtliche Handhabe schaffen, um die nationalen Haushalte von Euro-Schuldensündern zu kontrollieren - und notfalls frühzeitig einzugreifen. Fehlende Aufsicht über die Finanzpolitik gilt als ein Auslöser der Schuldenkrise.
Die Staats- und Regierungschefs bereiteten einen Schuldenschnitt für Griechenland unter höherer Beteiligung der Banken vor. Das zweite Rettungspaket von 109 Milliarden Euro, das erst im Juli beschlossen wurde, muss nun neu verhandelt werden, weil das Geld wegen der Turbulenzen auf den Finanzmärkten nicht mehr reicht.
Nach Ansicht der internationalen Finanzinspekteure benötigt Athen bis zum Ende des Jahrzehnts mindestens 252 Milliarden Euro - möglicherweise noch mehr. Zu den Griechenland-Verhandlungen sagte Sarkozy: „Die Dinge gehen voran, sind aber noch nicht beendet.“
Widerstand kommt vor allem aus der Bankenbranche. Sie wehrt sich dagegen, dass sie auf rund die Hälfte ihrer Forderungen an Athen verzichten soll.
Bislang hatten sich die Banken freiwillig zu einem Verzicht von 21 Prozent bereiterklärt. Um einen Schuldenschnitt zu verkraften, sollen sie ihr Eigenkapital um 100 Milliarden Euro aufstocken. Darauf hatten sich die Finanzminister am Samstag weitgehend geeinigt.
Mit ungewöhnlich scharfen Worten forderten Merkel und Sarkozy Berlusconi auf, den Schuldenabbau „glaubwürdig“ zu beschleunigen und das Wachstum anzukurbeln. „Wir setzen voll auf das Verantwortungsbewusstsein der politisch Verantwortlichen“, sagte Sarkozy. Merkel ergänzte, Vertrauen entstehe nicht allein durch Schutzwälle, sondern durch klare Perspektiven.
Um notfalls auch große Länder wie Italien aus dem Euro-Krisenfonds stützen zu können, sollen dessen Gelder effektiver eingesetzt werden. Sein Kreditrahmen war gerade erst auf 440 Milliarden Euro erhöht worden.
Zwei Modelle liegen dabei auf dem Tisch. Der Fonds soll wie eine Teilkaskoversicherung für einen Teil von neuen Anleihen wackelnder Eurostaaten garantieren. Eine andere Option sieht die Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds IWF vor.
Der von Frankreich geforderte Ausbau des EFSF zu einer Bank sei vom Tisch, sagte Merkel. Damit hätte der Rettungsfonds als eine Art Finanzierungsmaschine für Staaten agiert.
Der EU-Gipfel beschloss, die Frage „begrenzter Vertragsänderungen“ zu prüfen. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wurde beauftragt, im Dezember einen Bericht dazu vorzulegen. Er werde „überlegen, was wir brauchen, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verbessern“, sagte der Gipfelchef.
Berlin fordert Vertragsänderungen, um Schuldensünder besser zur Rechenschaft ziehen zu können: „Wir brauchen mehr Europa. Stärkere Durchgriffsrechte und Vertragsänderungen dürfen dafür auch kein Tabu sein“, sagte Kanzlerin Merkel.
Gegen dieses Projekt formiert sich aber bereits Widerstand. Für solche Änderungen ist ein äußert langwieriges Verfahren mit Zustimmung der nationalen Parlamente nötig - dies dürfte mindestens zwei Jahre dauern. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann warnte: „Für die kurzfristigen Probleme bringt eine Vertragsänderung nichts.“
Für den Mittwoch (26.) ist nun die endgültige Einigung geplant. Dazu werden alle 27 Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, anschließend tagt dann der Gipfel der 17 Euro-Staaten. Gemeinsam mit der Kanzlerin verteidigte Sarkozy die Idee der zwei Gipfel, die von mehreren Partnern kritisiert worden war. Die Probleme seien sehr komplex und kompliziert.