Einzelhandel: Kaufhäuser auf Schrumpfkurs
Hertie verschwindet ganz, bei Karstadt drohen tiefe Einschnitte: Die Warenhaus-Landschaft ändert sich.
Essen. Deutschlands Kaufhaus-Landschaft wird am Samstag um einen Traditionsnamen ärmer - Hertie. Die verbliebenen Warenhäuser des 1882 gegründeten Unternehmens schließen nach mehr als einjähriger Insolvenzphase ihre Pforten. Die letzten 2600 Beschäftigten stehen auf der Straße.
Auch sonst sieht es in der Kaufhaus-Branche nicht rosig aus. Am 1. September wird voraussichtlich das Insolvenzverfahren bei Karstadt und der Muttergesellschaft Arcandor eröffnet.
Vorher soll ein grober Sanierungsplan vorgestellt werden. An tiefen Einschnitten wird dabei Karstadt auch im günstigsten Fall nicht vorbeikommen - selbst wenn die Metro mit ihrer Tochter Kaufhof einsteigt.
Die Billig-Kaufhauskette Woolworth ist mit ihren 311 Filialen und 11.000 Beschäftigten in Deutschland schon in die Insolvenz gegangen. Das Unternehmen wird mit dem Ziel saniert, rund die Hälfte der Läden zu erhalten.
Die Warenhauslandschaft in Deutschland wird sich weiterhin stark verändern: Trotz der schon erfolgten radikalen Einschnitte werden auch in Zukunft viele Häuser schließen müssen. Experten schätzen, dass sich Kaufhäuser auf lange Sicht nur in Städten mit mindestens 200.000 Einwohnern rentieren, in Einzelfällen vielleicht auch ab 100.000 Einwohnern.
Mit Hertie, Woolworth und Karstadt hat es innerhalb eines Jahres drei Kaufhausketten getroffen, die unterschiedliche Kundenkreise bedienen: Woolworth mit Billigwaren, Karstadt für die mittleren bis gehobenen Käuferschichten. Hertie lag irgendwie dazwischen. Zuvor waren schon die früheren Karstadt-Töchter Sinn-Leffers und Wehmeyer in die Insolvenz gegangen - und machen heute stark verkleinert weiter.
Die Metro-Tochter Kaufhof hat ihre Verluste in den vergangenen Jahren dagegen deutlich geringer halten können als die Konkurrenz. Aber auch hier werden nun Filialen geschlossen. In den kommenden Jahren sollen es erst einmal vier der 128 Häuser sein. Metro-Chef Eckhard Cordes hält aber an dem Plan fest, 60 der 90 Karstadt-Filialen zu übernehmen.
Um die Hertie-Häuser hat die Konkurrenz dagegen nicht angestanden. Diese werden nun einzeln vermarktet. Karstadt hatte seine kleineren Häuser vor vier Jahren unter dem Namen Karstadt Kompakt verkauft. Die britischen Investoren Dawnay Day übernahmen 2005 das Paket aus 74 Häusern und reaktivierten später den Namen Hertie.
Das Geschäft lief aber unrentabel. Als Eigentümer wurde zuletzt das mit Dawnay Day verbundene Unternehmen Mercatoria Acquisitions (MABV) in den Niederlanden geführt. Als Dawnay Day Insolvenz anmeldete, musste auch Hertie mit mehr als 4000 Beschäftigten im Sommer 2008 Insolvenzantrag stellen.
Neue Investoren, die es danach durchaus gab, wollte MABV bei Hertie nicht mehr ins Boot holen. Die Eigentümer setzen jetzt lieber auf zahlungskräftige Interessenten wie Saturn, Kaufland oder C&A. Fraglich bleibt allerdings, ob MABV alle Immobilien loswird - etliche sind stark sanierungsbedürftig.