Qualifizierung: Wie man Kurzarbeit sinnvoll nutzt
Die Arbeitsagentur unterstützt Firmen finanziell. Doch nur wenige nehmen das Angebot bisher an.
Wuppertal. Der Mittwoch beginnt für Daniel Rodriguez eigentlich ganz normal. So wie in den vergangenen acht Jahren fährt der 27-Jährige zu seinem Arbeitgeber in Wuppertal-Elberfeld. Seit Ende Mai setzt sich der Groß- und Einzelhandelskaufmann aber nicht mehr an seinen Schreibtisch. Mittwochs um 8 Uhr trifft er sich mit sechs Kollegen. Die sieben Mitarbeiter der Firma Willi Hahn sind in Kurzarbeit und machen in Hagen eine Weiterbildung.
Seit Ende 2008 spürt das Wuppertaler Unternehmen die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, sagt Ingeruth Hahn. Sie ist Prokuristin des Familienunternehmens, das ihr Vater Willi Hahn 1939 gegründet hat. Die Firma produziert und verkauft Form- und Gewindeteile, die Kunden sind hauptsächlich aus der Automobil- und Zulieferindustrie. "Im Dezember hatten wir einen Umsatzeinbruch von 25 Prozent", sagt Ingeruth Hahn. Die 53-Jährige senkt ihre Stimme: "Jetzt sind es minus 43 Prozent."
Für 13 der 28 Mitarbeiter am Wuppertaler Standort hat sie Ende Mai bei der Arbeitsagentur Kurzarbeit angemeldet. Mehr als die Hälfte davon nimmt an einer Weiterbildung über die Arbeitsagentur teil. "Das ist im Vergleich eine sehr gute Quote - immerhin machen ein Viertel der Mitarbeiter von Willi Hahn eine Weiterbildung", sagt Claudia John von der Arbeitsagentur in Wuppertal. Damit ist Willi Hahn eine Ausnahme - nicht nur in Wuppertal (s. Grafik).
Dabei bietet die Arbeitsagentur für die Unternehmen, die ihre Mitarbeiter während der Kurzarbeit qualifizieren, zusätzliche finanzielle Entlastung an. So können die Beiträge zur Sozialversicherung ab dem ersten Monat voll übernommen werden. Außerdem wird in der Regel ein Teil der Weiterbildungskosten bezahlt.
"Die größte Hürde für die Unternehmen ist die Frage, wie die Weiterbildung in die Kurzarbeit passt", sagt Martin Reuschel von der Wuppertaler Arbeitsagentur. Auch Carmen Bartl-Zorn von der IHK in Wuppertal sagt: "Die Planung ist für die Unternehmen sehr schwierig. Kommt ein Auftrag rein, war es das mit der Kurzarbeit." Und im Umkehrschluss dann auch mit der Weiterbildung.
Die Bildungsträger, die Weiterbildungen anbieten, seien bereits flexibler geworden, sagt Bartl-Zorn. Das bestätigt Ingeruth Hahn. So bietet das Institut für Berufliche Bildung (IBB) in Hagen speziell einen Kurs für ihre Mitarbeiter an. Und: "IBB hat für uns den Beginn des Kurses extra von 8 auf 9 Uhr verschoben."
Für Bartl-Zorn steht fest: "Weiterbildung während der Kurzarbeit ist ein gutes Instrument, es lässt sich jedoch nicht in jedem Unternehmen umsetzen." Guido Grüning vom DGB Wuppertal glaubt allerdings, dass das Problem kein rein organisatorisches, sondern auch eine "Mentalitätsfrage" ist. "Weiterbildung ist ohnehin ein schwieriges Thema. Lebenslanges Lernen gehört in vielen Firmen nicht zur Unternehmensphilosophie." Zudem würden sich auch einige Beschäftigte ein Stück weit schwer tun, nach Jahren im Beruf an einer Weiterbildung teilzunehmen.
Für Ingeruth Hahn war sofort klar, dass sie die Qualifizierungsmöglichkeiten nutzt, das war schon vor der Kurzarbeit so. Jetzt nutzen Daniel Rodriguez und seine sechs Kollegen die Kurzarbeit, um ein neues Computersystem für den Ein- und Verkauf kennenzulernen, das Willi Hahn im Februar eingeführt hat. "Jetzt haben wir die Zeit, uns richtig in das System einzuarbeiten", sagt Rodriguez und seine Chefin ist sich sicher: "Wir investieren damit in die Zukunft. Nicht nur in die unseres Unternehmens, sondern auch in die unserer Mitarbeiter."